Brauchen wir die Männerquote?

Mathias Maurer

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist auffällig – je kleiner die Kinder sind, desto ausschließlicher werden sie von Frauen betreut. In der Kinderkrippe habe ich noch nie einen Erzieher zu Gesicht bekommen, im Kindergarten ganz selten, in den ersten Schulklassen häufiger zwar, aber nicht die gewünschte Hälfte. Erst in der Oberstufe scheint sich das Verhältnis anzugleichen, wobei in den Naturwissenschaften die Männer und in den Sprachen die Frauen dominieren. Das gilt sowohl für Waldorf- als auch für staatliche Schulen. 61 Prozent der Lehrer an Waldorfschulen und 64 Prozent an staatlichen Schulen sind Frauen. Generell gilt, dass Frauen nach wie vor stärker in pädagogische Berufsrichtungen streben als Männer. Man spricht von einer Feminisierung des Bildungswesens und dass die Jungs zu kurz kommen, da es an männlichen Identifikationsfiguren fehlt, die sie für ihre Persönlichkeitsentwicklung brauchen.

Verstärkt wird dieser Trend durch die Tatsache, dass inzwischen ein Drittel der Jungs ohne Vater aufwächst. Und man kann vermuten, dass der Vater nicht in allen Familien angemessen als Erzieher auftritt. Denn nach wie vor hält sich – so eine aktuelle Allensbach-Analyse –, im Gegensatz zu Ostdeutschland oder Frankreich, in Westdeutschland hartnäckig das Rollenbild, dass die Mutter in erster Linie für die Kinder und die Väter für den Beruf da sind. Also auch in der Familie erzieht die Mutter.

Anstatt auf politischem Wege eine Frauenquote einzuführen – die gar nicht gewollt wird –, sollten wir jede Art von erzieherischer Tätigkeit gesellschaftlich – und finanziell – voll anerkennen, nicht nur die der professionellen Erzieher(innen).

Es gehört inzwischen zum Allgemeinwissen, dass die ersten Lebensjahre die entscheidenden des Lebens sind, aber dennoch werden in diesen Altersbereichen mit der verantwortungsvollsten Tätigkeit die gerings­ten Gehälter gezahlt. Im Grunde müssten die Erzieher(innen) Managergehälter erhalten, die Manager die Gehälter der heutigen Erzieher ...

Es braucht eine Bildungsoffensive, die der Kinderbetreuung und -erziehung zu Hause, im Kindergarten und in den ersten Schuljahren gesellschaftlich und finanziell jene Anerkennung zollt, die ihr aufgrund ihrer Bedeutung gebührt. Ich vermute, dann wird diese Branche auch für junge Männer und Väter wieder attraktiv. Eine staatlich verordnete Parität kann die Lösung nicht sein, sondern nur eine Umgestaltung unserer sozialen und gesellschaftlichen Präferenzen. 

Aus der Redaktion grüßt 

Mathias Maurer