Der Tiere Dienst, des Menschen Dank

Mathias Maurer

Liebe Leserin, lieber Leser! 

Neulich stehen wir in der Metzgerei und kaufen ein. Die Fünfjährige lugt interessiert in die Theke. Sie mag Salami. Foxi wedelt ungeduldig draußen vor der Tür – es winkt ihm ein Rädchen Lyoner. Am Wochenende soll es Rouladen geben. Da fragt die Tochter laut: »Wie hat der Metzger das Schwein totgemacht?« – Ich antworte: »Das ist Fleisch vom Rind, das hat er mit dem Messer geschlachtet.« Das Töchterchen fragt unverzagt weiter: »Tut das nicht weh?« – Die Kundschaft schaut leicht irritiert, die Verkäuferin freundlich angespannt und mir fehlen die Worte. Ohne abzuwarten folgt gleich die bange Frage: »Aber Foxi wird nicht geschlachtet!« – »Natürlich nicht, mein Kind«. Die Erleichterung ist groß.

Je persönlicher die Beziehung zu einem Tier, desto unvorstellbarer ist es, es für unsere Ernährung zu nutzen. Der Schlachttag im Herbst gehörte für mich, der ich auf dem Land aufgewachsen bin, zum festen Programm des bäuerlichen Jahreslaufs. Ich erinnere mich: etwas unheimlich, doch faszinierend waren die quiekenden Schweine, der heiße Wasserdampf, die Innereien und die Zubereitung von Blutwurst schon. Dennoch aß ich das heiße Kesselfleisch mit großem Appetit. Heute wünschte man keinem Tier den industrialisierten Tod in den Großschlachthöfen. Das allein ist Grund genug, zum Vegetarier zu werden. Der Wurst in der Theke sieht man es leider nicht an, wie gestorben wurde.

Unsere Beziehung zu den Tieren ist deshalb so eng, weil sie über Seeleneigenschaften verfügen, die auch wir in uns tragen: Sie freuen sich, sie werden wütend oder störrisch, sind listig, geduldig, majestätisch, quirlig, lahm, aggressiv oder giftig. Sofort fallen uns die dazu passenden Tiere ein. Sie bevölkern unsere Märchen, Fabeln und Geschichten und gehören in ihrer positiven wie negativen Ausprägung zu unserer Alltagssprache und zur Hochliteratur. Sie repräsentieren gar die Evangelisten, die Sternbilder sind nach ihnen benannt. Der Mensch kennt das Tier in sich. Er kennt nicht nur seine innere Verwandtschaft zu ihm, er kennt auch die »Verwandlung«, die eintritt, wenn er sich seiner Selbst entfremdet, wie Franz Kafka erschreckend zeigt: »Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.«

Was domestizierte Tiere brauchen und fordern, sind Hingabe und Führung. Diese Fähigkeiten können kleine und große Menschen als eine Art Opfer der Tiere für uns wieder in sich entdecken lernen. Unser Dank an sie kann nur sein, ihnen so menschlich wie möglich zu begegnen – wie die zwei Brüder aus dem Grimmschen Märchen, wofür sie von ihren treuen Tieren die Wurzel des Lebens erhalten.

Aus der Redaktion grüßt

Mathias Maurer