Frieden ist anstrengend

Mathias Maurer

Der Siebtklässler sieht jeden Morgen die Tageszeitung auf dem Tisch. Die Aufmacherfotos aus den Krisengebieten häufen sich in den letzten Wochen auffällig – nie gab es mehr Kriege als in unserer Zeit.

»Die Menschen können ihre Konflikte nicht anders lösen«, antworte ich etwas ausweichend. »Aber keiner auf der Welt will doch noch ernsthaft Krieg«, hakt Pascal nach. »Die meisten Menschen sicher nicht, aber wer sich so richtig in Rage gebracht hat, schon«, gebe ich zurück und fahre fort: »Es findet sich immer ein Sündenbock, auf den man seinen Frust abladen kann. Dann ist immer der andere Schuld, das kennst Du doch auch.« – »Ja, aber ich bringe doch dann nicht gleich jemanden um!«, antwortet Pascal entrüstet. »Sicher, Du nicht, aber es gibt Menschen, die da keine Hemmungen haben, und in manchen Weltgegenden zählt das menschliche Leben nicht viel.« Ich will keine apokalyptische Stimmung aufkommen lassen und die Welt schwarzmalen und überlege, wie wir wieder in ein positiveres Fahrwasser kommen.

Pascal kommt mir zuvor: »Vorgestern hatte ich eine Prügelei mit Frederik aus der Achten. Der hatte mich schon den ganzen Tag gefoppt. Der ist so was von fies. Dann gab ich ihm eins rein.« – »Und …?«, warte ich ab. »Jetzt hat er ein blaues Auge«, gesteht Pascal. »Und geht’s Dir jetzt besser?«, frage ich. »Eigentlich nicht, ich habe Schiss, dass er mir irgendwann mit seinem Kumpel auflauert und Revanche will«, bringt er heraus. »Und was willst Du jetzt machen?«, frage ich. »Weiß nicht …«, Pascal fühlt sich sichtlich unwohl.

»Hättest Du das Problem anders lösen können?«, frage ich weiter. »Nö, jetzt lässt er mich wenigstens in Ruhe«, behauptet er. »Wie wäre es gewesen, wenn Du cool geblieben wärest ...?«, versuche ich es erneut. »Das hätte gar nichts gebracht, der hätte nicht aufgehört zu sticheln, zur Weißglut hat er mich gebracht ... Der war fällig …« – »Kannst Du Dir vorstellen, dass es anderen jungen Leuten auch so geht wie Dir?«

Ich wollte nicht nachbohren, es interessierte mich wirklich. »Ja, klar«, kommt es prompt. »Ich glaube, das geht auch noch Erwachsenen so«, schließe ich an und denke nur: Krieg stellt sich wie von alleine ein und für den Frieden muss man richtig an sich arbeiten ... »Oh, das klingt ja verdammt anstrengend«, sagt

Pascal, als hätte er den Gedanken gelesen. – Dann schweigen wir und räumen den Frühstücktisch ab.