Kleine und große Baumeister

Mathias Maurer

Morgen wird die Höhle ein Sprungturm – gesehen im Freibad mit mutigen Springern – ein wackeliger Stuhlstapel, unter statischen Gesichtspunkten abenteuerlich konstruiert und doch im Gleichgewicht. Selbstverständlich wird auch gesprungen – trotz dicker Kissen ist der Geräuschpegel entsprechend.

Es muss ein Urbedürfnis des Menschen sein, Hüllen, Räume und Konstruktionen um sich herum zu bilden, sie umzugestalten, auf ihre Belastbarkeit zu prüfen oder auch zu zerstören.

Gestern trug sie noch ein Schiff über den gefährlichen Ozean auf eine Affeninsel, wo sie sich eine Hütte bauten, übermorgen fordert ihre spielerische Dynamik ein Krankenhaus mit bettlägrigen Puppen und Teddies.

Was man am kindlichen Spiel noch deutlich wahrnehmen kann, ist, wie das äußerlich Gestaltete innerlich miterlebt und ausagiert wird. Rudolf Steiner weist darauf hin, wie stark bei Kindern die äußere Umgebung über die Sinnesempfindung bis in die leibliche Organgestaltung regelrecht hineinplastiziert wird. Der Mensch empfindet die Form, die Architektur, immer tief unbewusst mit. Räume, Gestaltungen, Farben, Gerüche wirken auf sein seelisches und körperliches Gleichgewicht, ja auf seinen Vitalsinn.

Wenn nun ein erwachsener Mensch für Kinder bauen möchte, muss er etwas von Kindern verstehen, mehr noch, er muss wie aus einer Kinderseele heraus blicken und empfinden. Peinlich ist es, wenn sogenanntes kindgerechtes Bauen nur die modisch wechselnden Erwachsenenvorstellungen über das Wesen des Kindes und seine angeblichen Bedürfnisse widerspiegeln. Deshalb muss ein Architekt auch Pädagoge sein, ein Architekt, der für eine waldorfpädagogische Einrichtung baut, muss etwas von Waldorfpädagogik und vom Überzeitlichen des sich entwickelnden und werdenden Menschen verstanden haben. Dann weiß er, unabhängig von DIN-Normen und Preis-Leistungsverhältnissen, so zu bauen, dass sich eine kind­liche Individualität in die Zukunft hinein entfalten kann.

Einen baulichen Dauerbrenner haben Sven und Laura seit Jahren: Kaufmannsladen. Er ist wie ein merkuriales Vor-Bild für die kleinen und großen Baumeister: In diesem Gehäuse wird fröhlich gegeben und genommen, es wird verschenkt, geteilt und gehandelt. Ist unser innerer und äußerer Reichtum in Fluss – wie sähe unser »Kaufmannsladen« architektonisch gestaltet aus?