Elf Wochen Baobab. Unterrichten und Arbeiten in Ghana

Jessica und Ronald Grube

Die Eindrücke des afrikanischen Stadtlebens in Accra brandeten auf uns ein: Lärm, Menschen über Menschen, kein Wasser im Hostel, fliegende Händler mit Waren jeder Art, ein Chaos von Tro-Tros, den stets vollgestopften Überlandbussen, selbsternannte Kofferträger, übereifrige Taxifahrer. Dann ging es etwa 200 Kilometer an der Küste entlang über die Stadt Cape Coast bis nach Kissi, dem Dorf nahe des Baobab-Projektes, das unsere Heimat für die nächsten Monate sein würde.

Dichtes, saftig-grünes Buschland, Kokospalmenhaine und Palmhüttendörfer säumten unseren Weg. Im Baobab-Center wurden wir herzlich empfangen, hatten aber Schwierigkeiten, uns die zahlreichen Gesichter und Namen auch nur annähernd zu merken.

Wir mussten uns an nächtliche Tiergeräusche gewöhnen, an die rund um die Uhr heranschallenden Klangfetzen der dörflichen Gottesdienste christlicher und muslimischer Religion und an die Hitze, die auch nachts kaum nachließ. Eimerdusche, abgepacktes Trinkwasser, ein Plumpsklo und Moskitos, die auch durch Hosen und imprägnierte Haut stechen, trugen zu dem Gefühl bei, dass man nicht über Nacht zum selbstverständlichen Bewohner eines anderen Kontinentes wird.

In der zweiten Woche unseres Aufenthaltes begannen wir unsere eigentliche Tätigkeit. Unser Sohn Nicolas arbeitete auf der angegliederten biologischen Farm und in der centereigenen Fahrradwerkstatt. Wir selbst unterrichteten in der Baobab-Schule, die in drei Klassen etwa 50 Jugendliche zwischen 13 und 21 Jahren alphabetisiert und Grundschulwissen in Englisch, Mathematik und Sachunterricht vermittelt.

Der Kontakt zu den Schülern war leicht herzustellen, da ghanaische Schüler einen tiefen Respekt vor dem Erwachsenen und Älteren haben. Man wird mit »Mister« und »Madame« angesprochen, und jedes Lehrerwort wird fraglos akzeptiert. Unsere Schüler waren zunächst überrascht über die Art der Ansprache, die sie durch uns erfuhren. Sie kannten bisher vor allem Auswendiglernen, unreflektiertes Nachsprechen und lange Abschnitte ohne eigene Tätigkeit. Von Anfang an tauchten sie mit großer Freude in die neue Art des Unterrichtes ein, der aus kürzeren Sequenzen des Hörens und verstärkter Eigenaktivität vor allem im Unterrichtsgespräch bestand.

Die ghanaischen Lehrerkollegen spürten diese Andersartigkeit im Unterricht und waren durchaus interessiert. Der sensible Umgang mit ihnen forderte uns immer wieder heraus. Wir wollten als Neulinge im Land und dazu noch als Weiße auf dem schwarzen Kontinent auf keinen Fall als kolonialistisch anmutende Alleswisser auftreten!

Das Unterrichten der Schüler war jeden Tag eine große Freude, und wir spürten, dass man mit einiger Berufserfahrung auch in einem relativ kurzen Zeitraum sinnvoll tätig werden kann. So sehr wir uns im Vorfeld doch gefragt hatten, ob unsere Auszeit auch noch mit Unterrichten gefüllt sein solle, so sehr war uns bald deutlich, dass wir in den Klassenzimmern am richtigen Platz waren und dort am meisten zu geben hatten. Schnell vergingen die Wochen in der Schule, und die Jugendlichen wuchsen uns sehr ans Herz. Bildhaftes Unterrichten konnte man hier täglich üben, da das Weltverständnis vieler afrikanischer Menschen überhaupt nicht abstrakt, sondern unmittelbar, konkret und auf eine unschuldig-kindliche Art am Hier und Jetzt orientiert ist. Nachmittags arbeitete Jessica im projekteigenen »medicinal garden«, in dem typische tropische Heilpflanzen wie Lemongrass, Papaya, Ingwer, Artemisia, Aloe Vera oder Moringa angebaut werden. Ronald unterstützte die Lehrer in den einzelnen Werkstätten wie Schnitzen, Tischlern, Nähen, Batiken oder Weben. Bei Baobab wird vormittags alphabetisiert, während nachmittags alle Schüler ein traditionelles ghanaisches Handwerk erlernen, um später eine eigene Existenz aufbauen zu können.

Baobab hat uns intensive Begegnungen mit afrikanischer Lebensweise und Denkart ermöglicht; Ghana selbst hat uns rundherum mit Offenheit und Freundlichkeit aufgenommen. Im Überwinden eigener Denkmuster und Akzeptieren ganz anderer Lebensansätze konnten wir intensiv erleben, wie wichtig es ist, dass Menschen unterschiedlicher Kulturen sich begegnen, voneinander lernen und ein kleines Stückchen auf dem Weg des Zusammenwachsens einer großen Menschheit zu gehen versuchen.

Wir danken allen, die zur Verwirklichung unseres Projektes beigetragen haben, sehr herzlich!

Die Baobab-Children-Foundation ist von der ehemaligen Waldorflehrerin Edith de Vos initiiert worden und wird unter anderem von den Freunden der Erziehungskunst und der GLS-Bank unterstützt. Weitere Informationen sind online unter www.baobab-children-foundation.de zu finden.