Elternsein an Waldorfschulen 3

Hans-Magnus Enzensberger

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin froh, dass meine Tochter Theresia in der Münchener Waldorf-Schule gelandet ist. Anfangs war mir das noch keineswegs klar. Meine eigene Schulkarriere hat mich zu wenig Wohlwollen für die Institution der Schule, so wie sie heute ist, inspiriert. Auch lag und liegt mir die Anthroposophie als Philosophie durchaus fern. Aber, wie es in der Bibel heißt: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Und es war die Praxis, die mich innerhalb kurzer Zeit überzeugt hat. Schon die Tatsache, dass man hier die Kinder ernst nimmt und nicht für minderbemittelte Erwachsene hält, ist keineswegs selbstverständlich. Auch die Reichweite dessen, was ihnen angeboten und abverlangt wird, ist eindrucksvoll: Theaterspiel, Musik, Landwirtschaft, Handwerkspraktikum, Segeltörn, Landvermessung, Aufbauarbeit in einem rumänischen Zigeunerdorf, anspruchsvolle Abschlussarbeiten ohne Gängelung – an all das wäre in einer Staatsschule kaum zu denken.

Die üblichen Vorbehalte haben sich rasch von selber erledigt. Weder  war die Schule klassenfixiert – ein Verdacht, der allen Privatschulen entgegengebracht wird –, noch wurden die Schüler im Sinne von Dornach indoktriniert oder auf die Lehren von Rudolf Steiner getrimmt. Es ist schon bemerkens­wert, mit welchen Ressentiments den Waldorf-Schulen in der Öffentlichkeit begegnet wird. (Nur in Klammern bemerke ich, dass es Politiker gibt, die ihre Kinder dort gerne anmelden, obwohl das ihrer Parteilinie widerspricht.)

Natürlich fehlt es auch in diesen Einrichtungen nicht an Vorstandsquerelen und Intrigen. Davon habe ich allerdings kaum Notiz genommen, wie ich auch gestehen muss, dass ich mich zu den ernsthaft engagierten Vätern (und Müttern) nicht zählen darf, die auf jedem Elternabend mit peinlicher Genauigkeit auf vermeintliche oder wirkliche Versäumnisse oder Ungerechtigkeiten der Lehrerschaft reagieren. Solche Scherereien sollte man sich und andern ersparen und das Gute nehmen, wie es kommt.