Das musikalische Herz. Friedemann Luz bringt Schwung in die Freie Waldorfschule Uhlandshöhe

Lea Bogatzki

Ich befinde mich auf dem Schulgelände der Uhlandshöhe Stuttgart. Aus den weit geöffneten Fenstern im zweiten Stock über dem Haupteingang ertönt Musik. Eine Klasse schmettert den Song »Let it be« der Beatles, dessen Refrain mir entgegenweht. Man braucht kein geschultes Musiker­ohr, um den alles übertönenden, vollen Bass sofort herauszuhören. Es ist unverkennbar die Stimme des seit knapp über 30 Jahren an dieser Schule unterrichtenden Musiklehrers.

Friedemann Luz ist ein Urgestein, in ihm schlägt das musikalische Herz der Schule. Ob »normaler« Musikunterricht oder Musik-Epochen, Klassenspiele oder Adventssingen, Monatsfeiern, Schulchor, Elternchor oder, wie bis zum letzten Jahr noch, Oberstufenorchester und Abiturkurs: Alles wird von ihm getragen.

Die Liebe zur Musik, die sich auch auf all seine Schülerinnen und Schüler überträgt, wurde ihm in die Wiege gelegt. Als jüngstes Kind einer musikalischen Familie begann er im Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspiel. Zwei Jahre später kam das Trompeten dazu und mit zehn Jahren fing er an, das Geigenspiel zu erlernen. Während seines Studiums der Schulmusik und Romanistik kam der vom Schwung der 1968er mitgerissene junge Musiker erstmals mit der Waldorfpädagogik in Kontakt. Ein Aushang an der Musikhochschule (es wurde ein sehr guter, improvisationsfähiger Pianist gesucht) führte ihn mit achtzehn Jahren als Eurythmiebegleiter an die Freie Waldorfschule Uhlandshöhe. Schon früh faszinierte ihn die Kunst der Eurythmie. Es begeisterte ihn, wie Dinge sichtbar gemacht werden können, die er als Musiker »nur« hörte. Kurz darauf konnte er als Vertretungslehrer erste Unterrichtserfahrungen sammeln. Nach seinem Studium wird er zunächst als Gymnasiallehrer in Stuttgart und Heidenheim tätig. Einige Jahre später erreicht ihn ein Brief der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe, die ihm eine Stellung als Musiklehrer anbietet. Obwohl Luz in Heidenheim bereits ein beliebter Lehrer und Organisator geworden ist, und obwohl sich sein Einkommen durch den Schulwechsel verschlechtern wird, nimmt er die neue Herausforderung an. Kurz darauf kündigt er sein Beamtenverhältnis, zieht zurück nach Stuttgart, und beginnt mit knapp 30 Jahren Lebenserfahrung seine Tätigkeit an dieser Schule. Auch seine Frau, mit der er zu dieser Zeit schon acht glückliche Jahre verheiratet ist, stützt diese Entscheidung. Rückblickend sagt er heute, diesen Schritt habe er nie bereut.

Luz schätzt sehr, dass ihm an seiner neuen Schule viel kreativer und pädagogischer Freiraum gewährt wird und ihn keine zeitlich strengen Lehrpläne einengen. Das fordere und fördere eigenes Denken und Handeln. Die analytisch aufgebauten Schulbücher hat er als theoretisch überfrachtet erlebt, und so setzt er der kopflastigen Unterrichtsmethode der Regelschule einen gestalterisch-aktiven, praktisch-orientierten Unterricht entgegen. Durch das Musizieren schult er die Wahrnehmung der Schüler als Grundlage für das Nachdenken und Begreifen.

Dreizehn Jahre lang hatte ich das Glück und die Freude, Friedemann Luz als Menschen und Musiker zu erleben und kennenzulernen. In seinem von Schwung und lebendiger Musik geprägten Unterricht wird seine große Liebe zur Musik, aber auch zur Philosophie deutlich. In wohl keinem anderen Fach haben wir in der Mittelstufe so viel Allgemein­bildung über das Fach hinaus erhalten. Als gutmütiger und toleranter Lehrer muss er immer wieder einen gewissen Lärmpegel in Kauf nehmen, was ihm meist mit viel Gelassenheit und großer Nervenstärke gelingt.

Besonders beliebt waren in unserer Klasse die sogenannten »Wunschkonzerte«. Ob Klassiker oder moderne Songs: Wir durften uns aus allem etwas wünschen. Dann wurde gesungen, denn Herr Luz versucht, an dem anzuknüpfen, was uns gefällt, um auf dieser Grundlage mit uns weiter arbeiten zu können.

Friedemann Luz, selbst dreifacher Vater, liebt seinen Beruf. Er betrachtet die Schule als ein »lebendiges Feld« und sieht die einzelnen Schüler als individuelle Persönlichkeiten, die ihn immer in der Gegenwart halten, viel mitbringen und auch zurückgeben. Das ganze Leben, findet Luz, solle in der Schule seinen Platz haben. Sehr wichtig ist ihm der vertrauensvolle Umgang und der gute Kontakt mit seinen Schülern. Die Frische, die er ausstrahlt, ist auch beim Dirigieren erlebbar. Trotz der vielen langwierigen, strapaziösen und für einen Musiker mit absolutem Gehör wohl schwer auszuhaltenden Proben schafft er es jedes Jahr neu, ein Orchester- und Chorkonzert auf die Beine zu stellen, das Eltern, Schülerinnen und Schüler begeistert, aber auch weit über die Schulgemeinde hinaus Anerkennung findet.

Sein Kennzeichen ist ein langer, dunkler Mantel und der Packen Noten, den er unter dem Arm trägt. So kann man ihn in fast jeder Zehn-Uhr-Pause bei der Aufsicht antreffen, stets mit einem herzlichen Lächeln. Ein kleiner Weg mit ihm zusammen kann sich als Hürdenlauf erweisen, da er so viele Schüler freundlich grüßt und von vielen angesprochen wird. Da darf man es nicht eilig haben! Die Schule ist der Ort, an dem all die vielen Fähigkeiten von Friedemann Luz zur Geltung kommen: das Dirigieren, Komponieren, Musizieren, Singen und Philosophieren. »Singen oder ein Instrument spielen macht mich glücklich« schrieb Luz einmal. Dieses Glück und die Freude, die er beim Musizieren erlebt, gibt er auch an seine Schüler weiter.

Zur Autorin: Lea Bogatzki ist Schülerin in der 13. Klasse der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe