Sie bewegt sich doch

Ute Hallaschka

Den neuen Dokumentarfilm von Regisseur Christian Labhart, kann man gleich auf DVD bestellen – aber viel schöner ist es, »What moves you« auf der großen Leinwand im Kino zu sehen. Der Film ist so hervorragend gemacht, dass der atmosphärische Funke überspringt: das Kino wird zur Bühne des eigenen Innern. Ganz verblüffend, wie mühelos sich plötzlich Eurythmie einsehen lässt – als sichtbarer Ausdruck dessen, was in Sprache und Musik eigentlich vorgeht. Hier führt das reine Sehen zum Verstehen.

Das Projekt, im Sommer 2012, in nur vier Wochen mit mehr als 80 Teilnehmern – Jugendliche aus der ganzen Welt – eine Symphonie von Beethoven und ein Musikstück von Arvo Pärt aufzuführen, klingt gewiss verrückt. Diese buchstäbliche Verrücktheit fasst der Untertitel des Films: »Jetzt kommt alles in Bewegung.« Das ist genau das, was Jugendliche brauchen. Dass sich endlich etwas tut, etwas in Gang kommt, etwas, das man am besten selbst macht, um Veränderung herbeizuführen.

Von drei Seiten wird im Film dem Verstehen des Zuschauers zugearbeitet. Die großartige Unbefangenheit der jungen Protagonisten zeigt Eurythmie als durchaus professionelles Kunstwerk. Es ist Liebe zur Eurythmie, was sie qualitativ gut macht. Ihr Können, ihre Technik wurzelt darin. Das ist das erste Geheimnis. Das zweite zeigen die Choreographen im Umgang mit den Schülern. Professionelle Offenheit der Regie, die künstlerische Inspiration im Akteur verortet und ihn zum Eigenausdruck führt. Hier gibt es eine interessante Krisenszene. Eine Teilnehmerin wünscht sich stärkere Impulse, mehr Vorgaben durch die Anleitenden.

Was sie nicht wissen kann: genau das hat vor drei Jahrzehnten der Eurythmie als Kunst Schwierigkeiten bereitet. Die Szene löst sich im Folgenden zum Guten, aber es bleibt eine Anregung: in wohltemperierten anthroposophischen Kreisen Disharmonie als Weltaspekt zuzulassen. Kritische Stimmungslagen gerade im künstlerischen Betrieb als positive Merkmale aufzufassen, die leidenschaftliche Auseinandersetzung nicht auszusperren – sie als Eros zu verstehen.

Die dritte phänomenale Leistung erbringt der Filmemacher. Christian Labhart hält sich völlig aus dem Geschehen und führt so mitten hinein. Kommentarlos lässt er alle Beteiligten für sich (selbst) sprechen. Dies jedoch so ins Bild zu bringen und technisch in Szene zu setzen, dass der Zuschauer im Zeitraffer die vier Wochen so innig miterleben kann, als wäre er dabei gewesen – wundervoll.

Auf ins Kino, ihr eurythmiemüden Schüler. Da zeigen euch die Gefährten des Zeitschicksals: die Rückkehr der Königin. Eurythmie ist eine Zukunftskunst, die lange genug als Waldläuferin im Dickicht verborgen gehaust hat. In ihr geht es nicht um Macht, wohl aber um Liebe. Diese Kunst werden wir brauchen, wenn es weitergehen soll mit dem verrückten Projekt von Menschheit und Erde.

What moves you läuft in ausgewählten Filmtheatern; Länge ca. 85 Min., DVD ab Dezember erhältlich; ca. EUR 20,–, | www.whatmovesyou-film.com