Kommentar zu Michael Kalisch und Michael Starke

Hans Ulrich Schmutz, Albrecht Schad, Susanna Kümmell

Kalisch sagt nicht nur, dass das Konzept des anthropogenen Klimawandels an der einen oder anderen Stelle möglicherweise unsicher sei, sondern dass das ganze Konzept ein politisches Konstrukt, also ausgedacht wäre. Dabei kann er nicht schlüssig erklären, wer auf diese Idee gekommen sein soll und wie der- oder diejenige es schaffen konnte, eine weitgehende Akzeptanz der »ausgedachten Theorie« unter den Politikern, den NGOs und den Klimaforschern zu erlangen. Ein Argument ist nach Kalisch1 die Atomlobby, doch wie soll diese die Grünen und die NGOs überzeugt haben? In dem Artikel aus der Zeitschrift »Gegenwart«2 nennt Kalisch als weiteren Grund: »Politisch ersehnte Wirkungen rücken in Reichweite: der moralische Druck erweicht den Widerstand gegen neue Steuern und bringt das Gewissen der Industriestaaten in eine Schieflage gegenüber den Entwicklungsländern, was die Bereitschaft zu hohen Finanzhilfen im Sinne der Klimagerechtigkeit ermöglicht.« (Kalisch 2009, Kapitel IV). Kalisch meint also, die Politiker hätten sich den anthropogenen Klimawandel ausgedacht, damit sie höhere Steuern eintreiben können, um diese in die Entwicklungsländer zu transferieren. Das ist für uns schlichtweg nicht nachvollziehbar, wir denken, da haben die Politiker heute wirklich andere Sorgen.

Jetzt zu den Quellen, auf die sich Kalisch und Starke beziehen:

Unter unsere Replik »Warum so ideologisch?«3 hat Herr Michael Starke einen Kommentar geschrieben, um Michael Kalischs Artikel aus der Erziehungskunst4 zu verteidigen. Darin teilt er den geneigten Lesern mit, dass ein Buch von Michael Limburg, der Mitglied im »Europäischen Institut für Klima und Energie« (EIKE) ist, ihm die Augen geöffnet habe. Genau genommen ist Herr Limburg Viezepräsident dieses so genannten Institutes. Schon die Bezeichnung »Institut« ist irreführend. Es hat nicht einmal eine Postadresse, sondern nur ein privates Postfach. Die EIKE-Leute betreiben gar keine eigene Forschung (die meisten sind Ökonomen!). Sie nutzen dieselben Daten und Publikationen, wie das IPCC und alle anderen. Sie interpretieren aber die Fakten in ihrem Sinne um. Beispiel? EIKE-Leute behaupten, dass das mit dem anthropogen bedingten Klimawandel nicht stimmen könne, weil ja die Temperatur seit 1998 rückläufig ist. Klingt einleuchtend. Von einer solchen Argumentation lässt sich der Laie benebeln. Es ist nur ein gewollter Trick. Es wird als Referenzjahr ein sehr warmes Jahr genommen (1998). Sieht man sich aber die Temperaturkurve der Erde der vergangenen Jahrzehnte an (und nur das ist Klima), so bemerkt man: es gibt keinen linearen Anstieg der Temperaturen, sondern nur einen Trend des langjährigen Mittelwertes. Innerhalb dieses Trends kann es Schwankungen geben und daher die Temperatur auch für einige Jahre sinken7.

Wer arbeitet noch bei EIKE? Z.B. der Physiker Dr. H. Borchert. Er behauptet, die Sonne sei für die Klimaerwärmung verantwortlich und es gäbe keine Korrelation der Erdtemperaturen mit der CO2 Konzentration. Ein weiterer Mitarbeiter von EIKE ist Dr. Richard S. Coutney. Er ist technischer Editor des Journals der internationalen Kohleindustrie »CoalTrans International«.

Über EIKE hat die gut vernetzte US-Szene der Klimaleugner in Deutschland Fuß gefasst. Denn EIKE-Präsident Holger Thuss ist zugleich Gründer von CFACT Europa, dem Ableger des amerikanischen »Committee for a constructive tomorrow« das 2008 mit fast 600.000 US-Dollar zu den größten Spendenempfängern des Ölkonzerns Exxon Mobile gehörte. Die Organisation erhielt laut Sourcewatch außerdem Geld von Chevron (zweitgrößte US-Ölfirma), Daimler Chrysler Corporation Fund und Ford Motor Company. EIKE verschafft sich auch Gehör mit Tagungen. Mit der FDP-nahen Naumann-Stiftung organisierte EIKE in Berlin eine »internationale Klimatagung«. Hauptredner war Fred Singer8. Der pensionierte Meteorologe ist der Star unter den Klimaleugnern. Singer ist Mitglied in so ziemlich jedem klimaskeptischen Verein, unter anderem im Heartland-Institut9, von dem noch die Rede sein wird. Weiterer Redner auf der EIKE-Klimatagung war Lord Monckton, der Berater der früheren Premierministerin Margret Thatcher war. Nach der Tagung flog er nach Australien zu einer Vortragsreise, eingeladen vom Kohlekonzern Hancock Prospecting ...

Michael Kalisch gibt in der Duplik auf Schad & Kümmell1 die Methode an, wie die Debatte um die Klimaforschung untersucht werden soll. Nämlich »die Paradigmen bis zu ihren Wurzeln zu verfolgen; die Soziologie des Wissenschaftsbetriebes zu berücksichtigen; den Einfluss der Verquickungen von Politik, Wirtschaft, Finanzwesen und Wissenschaft zu erwägen.« Dies wird nun ansatzweise unternommen, indem das von Kalisch als unabhängiges Gremium gelobte NIPCC (Nongovernmental International Panel on Climate Change) und die Entstehung der »Scientist Petition« beleuchtet wird.

Das 1984 vom Festkörperphysiker Frederic Seitz und zwei weiteren Wissenschaftlern gegründete »George C. Marshall Institute« ist eine der wichtigsten Informationsquellen der Klimaskeptiker10,11. Es war – hauptsächlich vertreten durch F. Seitz – zunächst Sprachrohr der Tabakindustrie und der von Präsident Reagan favorisierten Star Wars Kriegsstrategie. Nachdem klar wurde, dass gegen die wissenschaftliche Begründung der Gefährlichkeit des Tabakrauchens keine Argumente mehr ernst genommen wurden, verlagerte das Institut seine Aktivität auf die Klimadebatte, mit dem Ziel, die Resultate der Klimaforschung und der Ozonforschung in Zweifel zu ziehen. Die Autoren des Buches »Merchants of Doubt: How a Handfull of Scientists Obscured the Truth on Issues from Tobacco Smoke to Global Warming« bezeichnen die angewandte Strategie als das Errichten von potemkinschen Dörfern11.

»Wir werden gesiegt haben, wenn durchschnittliche Bürger die Unsicherheiten in der Klimawissenschaft ›verstehen‹ bzw. wahrnehmen« – so lautet ein 1998 erstellter interner Kommunikations-Aktionsplan des American Petroleum Institute, des größten Interessenverbands der US-amerikanischen Öl- und Gasindustrie. Ehemalige Mitarbeiter des American Petroleum Institute waren auch Vorsitzende des George C. Marshall Institute, welches massgeblich von Exxon Mobile finanziert wird14.

Im Jahre 1998 lancierte das kleine, aber umtriebige »Oregon Institute of Science and Medicine« eine »Scientist Petition« über nicht-anthropogene Klimaerwärmung unter Federführung von F. Seitz, dem oben erwähnten Gründer des Marshall Institutes, der ehemaliger Präsident der National Academy of Sciences ist17. Als Grundlage für die Petition diente eine vom Oregon Institut herausgegebene Schrift, verfasst von zwei nie in der Klimaforschung tätig gewesenen Mitarbeitern und dem bekannten Klimaskeptiker W. Soon. Die Schrift hatte die präzise Aufmachung der renommierten Proceedings of the National Academy of Science. Obwohl sich die National Academy of Sciences von dieser Fälschung und von F. Seitz distanzierte, wurde die Schrift mit einer Unterschriftensammlung via Mailversand an vielleicht einige 100.000 Wissenschaftler weiter geführt. Da Adressen und Tätigkeitsfelder der 31.000 Unterzeichnenden nicht erhältlich sind, kann die Seriosität der Unterschriften nicht überprüft werden.

An einem Beispiel soll die Unseriosität dieser Schrift beleuchtet werden. Zum »Beweis« der Falschheit der Temperaturanalysen der Klimaforschung wurden nur zwei spezielle Temperaturaufzeichnungen zitiert, um dann auf den generellen Verlauf der Globaltemperaturen im Sinne der Klimaskeptiker zu schließen; einmal der Temperaturverlauf der letzten 3.000 Jahre in der Sargassosee (Zentralatlantik im Einflussbereich des Golfstromes) und andererseits die gemittelten Temperaturen der letzten 120 Jahre in den USA.

Der 2008 erschienene Report des NIPCC (Nongovernmental International Panel on Climate Change) hat als Irreführung die genau gleiche Aufmachung wie der offizielle Report 2007 des IPCC14,16,18. Der IPCC ist ein von der Uno eingesetztes Gremium von Klimawissenschaftlern, welches für den Report mehr als 2.500 in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften erschienene Artikel untersuchte und so zu einem in der Geschichte der Wissenschaften einmaligen Stand der Klimaforschung führte. Der NIPCC Report basiert auf weitgehend nicht mehr in der Klimaforschung tätigen Persönlichkeiten, welche hauptsächlich in privaten, von Exxon Mobile mit 16 Millionen Dollar (1998-2005) finanziell unterstützten Institutionen tätig sind (Global Climate Science Team, American Enterprise Institute, Center for Science and Public Policy, George C. Marshall Institute, Heartland Institute, Competitive Enterprise Institute, u.a.)15. Seit 2005 trat die Koch Foundation als Geldgeber anstelle von Exxon Mobile in Erscheinung12.

Die schon lange als seriös anerkannte Union of Concerned Scientists, weist in einer 2007 erschienenen Schrift nach, dass die gerade erwähnten Institute und Think Tanks früher für die Tabakindustrie pseudowissenschaftlich publizierten und später mit den gleichen Methoden, nun von Exxon Mobile teilfinanziert, den in den Veröffentlichungen des IPCC gebündelten Konsens der Klimaforschung zu diskreditieren versuchen13. So ist der Herausgeber des NIPCC Reports das früher für die Tabakindustrie tätige Heartland Institute, welches auch internationale Konferenzen der Klimaskeptiker organisiert. Im NIPCC Report werden die lange bekannten Argumente der Klimaskeptiker wiederholt und die These aufgestellt, dass der Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxides ein Segen für die Menschheit sei, weil durch vermehrtes Pflanzenwachstum der Welthunger bekämpft werden könne. Der Schweizer Ableger des NIPCC (NIPCC-Suisse) entlarvt sich gleich selbst, indem er unter Zweck und Ziel schreibt: »Der Verein zielt auf eine Abschaffung der CO2-Abgaben, da deren Notwendigkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.«19 Dem Verein geht es nicht um wissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern schlicht um Lobbyarbeit für die Kohle-, Gas- und Ölindustrie.

Beschäftigen wir uns noch mit einem Autor, den Michael Kalisch auf Nachfrage nach seiner Literatur als ersten nennt: Prof. Dr. Gerhard Gerlich. Er arbeitet an der technischen Universität in Braunschweig. Herr Gerlich war Mitglied im European Science and Environment Forum (ESEF)5, das von der Tabak-Industrie lange finanziert wurde, um sogenannte »Junk Science« in Umlauf zu bringen. Das Ziel von ESEF war es, die Bemühungen von Regierungen zu torpedieren, die ihre Bürger über die Verwendung von Hormonen bei der Rinderzucht, die Auswirkungen von Pestiziden, Rauchen und dem Klimawandel aufklären wollen6. Das Ziel dieses Forums war also, die Öffentlichkeit zu desinformieren.

Nachdem im Prinzip aufgezeigt worden ist, wie die erwähnten Klimaskeptiker – auch »Klimaleugner« genannt – arbeiten und woher sie ihre Fördergelder beziehen, sehen die drei Autoren keinen Sinn mehr, sich mit Texten auseinanderzusetzen, welche ihre Argumentation auf eben diesen Klimaskeptikern aufbauen. Kalischs Argumente sind das Standardrepertoire der Klimaskeptiker. Viele seiner Argumente sind z.B. in dem Film »Die Klimalüge«20 zu finden, bei welchem u.a. die oben schon erwähnten Klimaskeptiker Fred Singer und Frederic Seitz zu Wort kommen. Die Süddeutsche Zeitung und andere haben eine ganze Reihe von Fehlern und Verdrehungen in diesem Film aufgedeckt21,22. Natürlich sind Teile der Ergebnisse der Klimaforschung noch unsicher und werden auch kontrovers behandelt. Dies entspricht dem Verlauf seriöser Forschung. Der Rückgriff auf die vielfach widerlegten Argumente der genannten Klimaskeptiker und die hinter ihnen stehenden Organisationen, mit ihren unübersehbaren Interessen, ist jedoch in einer solchen Debatte nicht hilfreich.

Anmerkungen:

1) Kalisch M. (2010): Duplik auf Schad & Kümmell: »Warum so ideologisch?« http://www.erziehungskunst.de/artikel/forum/duplik-zu-schad-kuemmell-warum-so-ideologisch/
2) Kalisch M. (2009): Kritisches zur Klimaforschung. Propaganda und Wirklichkeit. Gegenwart Nr. 2/09 – Juni 2009, Themenheft Klimawandel.
3) http://www.erziehungskunst.de/artikel/forum/warum-so-ideologisch/
4) http://www.erziehungskunst.de/artikel/forum/ideologie-klimaschutz/
5) http://www.sourcewatch.org/index.php?title=Gerhard_Gerlich
6) http://www.sourcewatch.org/index.php?title=European_Science_and_Environment_Forum
7) http://michaelsclimate.wordpress.com/2009/10/31/klimaluegner-in-jena/
8) http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/eike-europaeisches-institut-fuer-klima-und-energie.html
9) http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,539051,00.html
10) Oreskes N. and Conway E. M. (2010): Merchants of Doubt: How a Handfull of Scientists Obscured the Truth on Issues from Tobacco Smoke to global Warming, Bloosbury.
11) Oreskes N. and Conway E. M. (2010): Defeating the merchants of doubt, Nature Vol. 465/10.6.2010, 686-687.
12) Greenpeace (2010): Koch Industries, secretly funding the climate denial machine, Greenpeace USA; in: http://www.greenpeace.org/usa/campaigns/global-warming-and-energy/polluterwatch/koch-industries
13) Union of concerned scientists (2007): Smoke, Mirrors & Hot Air; in: http://www.ucsusa.org/global_warming/science_and_impacts/global_warming_contrarians/exxonmobil-report-smoke.html
14) http://en.wikipedia.org/wiki/NIPCC#NIPCC
15) http://www.sourcewatch.org/index.php?title=Global_warming_skeptics
16) http://realclimate.org
17) http://www.petitionproject.org
18) http://www.heartland.org/policybot/results/22835/Nature_Not_Human_Activity_Rules_the_Climate_pdf.html
19) http://www.nipcc.ch/
20) Video: Die Klimalüge: http://www.youtube.com/watch?v=28glS2XFoF8
21) http://www.sueddeutsche.de/wissen/klimaabend-auf-rtl-der-grosse-schwindel-1.834622
22) http://www.pik-potsdam.de/~stefan/klimaschwindel.html