Köstliche Düfte

Mareike Stutz

Seit dem Tod des Großvaters und der Geburt von Sebastian, der mit einem Herzfehler auf die Welt kam, ist in der amerikanisch-puerto-ricanischen Familie nichts mehr wie zuvor. Auch zehn Jahre später haben die Ereignisse der Vergangenheit noch deutlich spürbare Auswirkungen auf die Familie, die sich immer weiter auseinanderlebt. In der Schule wird Sebastian von seinen Klassenkameraden gemobbt, bleibt aber trotz allem ein phantasievoller, lebensfroher Junge. Sein größter Halt ist seine Großmutter »Abuela« Lola, bei der er die Nachmittage verbringt. Deshalb ist es ein großer Schock für ihn, als diese eines Tages einen Schlaganfall erleidet und danach im Koma liegt. Im Krankenhaus begegnet Sebastian einer geheimnisvollen alten Dame, die ihm zunächst Angst einjagt, dann jedoch Mut zuspricht. Lola erwacht überraschend aus dem Koma und erscheint völlig verändert. Sie verlangt, sofort nach Hause zurückkehren zu dürfen, färbt sich die Haare und beginnt wieder zu kochen, was ihre Familie verboten hatte, nachdem sie vor zehn Jahren beinahe ihr Haus abgebrannt hätte. – Trotz anfänglicher Skepsis der Familie zeigt sich bald die positive Wirkung ihrer mit viel Liebe zubereiteten Gerichte aus der alten Heimat Puerto Rico. Sebastian, der für eine weitere Herzoperation zunehmen muss, schmeckt das Essen wieder, und er lernt selbst kochen. Die körperliche Kraft und die psychische Stabilität, die er hinzugewinnt, sowie der mentale Beistand der alten Dame aus dem Krankenhaus helfen ihm, für sich einzustehen. Beim sonntäglichen Mofongo, einem traditionellen Gericht aus Kochbananen, Speck und Gewürzen, kommen die Familienmitglieder zusammen und beginnen endlich wieder miteinander zu sprechen. So stärken die von Abuela Lola zubereiteten Gerichte nicht nur Körper und Seele aller Beteiligten, sondern bringen auch einen Heilungsprozess in Gang. Beim Lesen meint man zu riechen, wie aus den Buchseiten köstliche Gerüche aufsteigen. Die klare, eindrückliche Erzählweise lässt die Gefühls- und Lebenswelt der Protagonisten lebendig werden ebenso wie die Träume und Ängste des kranken Sebastian. Der ergreifende und vielschichtige Roman thematisiert die heilende Wirkung des Kochens und gemeinsamen Essens, bleibt dabei trotzdem realistisch und kommt schließlich zu einem bittersüßen Ende. Abgerundet wird der Lesegenuss durch eine ästhetisch ansprechende Umschlaggestaltung und eine Sammlung von Kochrezepten im Anhang.

Cecilia Samartin: Mofongo. Übersetzung von Gloria Ernst, geb., 416 S., EUR 22,90, Urachhaus, Stuttgart 2013