Schulen betreiben Landwirtschaft

Thomas van Elsen, Marie Emanuel

Schulen, die sich der Landwirtschaft widmen, gibt es gar nicht so wenige. Mehr als 20 Beispiele haben Studierende am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel in Witzenhausen im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten recherchiert.

Etwa das Parzival-Zentrum in Karlsruhe: Es vereint mehrere Schulen und Kindergärten unter einem Dach, darunter auch solche mit besonders förderbedürftigen Kindern. Die Arbeit mit landwirtschaftlichen Nutztieren gehört zum übergreifenden pädagogischen Konzept und Schritt für Schritt entwickelt sich die schuleigene Tierhaltung zu einer kleinen Landwirtschaft.

Oder die Waldorfschule Saar-Hunsrück: Direkt angrenzend an die Schule befindet sich das Gelände des schuleigenen, anerkannten Demeter-Bauernhofs. Die Schüler werden in die täglich anfallenden Arbeiten einbezogen. Dadurch sollen sie eine Beziehung zu Tieren und zur Natur aufbauen und einen bewussteren Umgang mit unseren Lebensgrundlagen lernen. Der 14 Hektar große Betrieb produziert Gemüse, Blumen, Kartoffeln und Getreide. Wiesen und Weiden stehen für die Tiere zur Verfügung. Auf dem Hof leben Hühner, zwei Kühe und ein Kälbchen, acht Ziegen und acht Schafe. Schüler werden bei der Versorgung der Tiere zu Beginn jedes Schultags (2. bis 6. Klasse) sowie beim Gartenbau-Unterricht (4. bis 8. Klasse) in die Arbeit einbezogen.

Als drittes Beispiel einer schuleigenen Landwirtschaftsinitiative sei die am Rande des Ruhrgebiets gelegene Windrather Talschule etwas ausführlicher vorgestellt.

Die Arbeit macht den Menschen

Zwischen Wuppertal und Essen betrieben bereits mehrere Höfe biologisch-dynamische Landwirtschaft. Seit der Schulgründung bestand die erklärte Absicht, die landwirtschaft­liche Arbeit eng in die Pädagogik einzubeziehen. An der Schule lernen intellektuell hoch begabte Kinder zusammen mit körperbehinderten und emotional oder geistig beeinträchtigten Schülern. Zunächst sollte die Schule an einen bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb angeschlossen werden.

Als die Baugenehmigung verweigert wurde, entschloss sich die Schulgemeinde, bestehende Schulgebäude zu erwerben und an sie eine Landwirtschaft anzugliedern. Der nunmehr zur Schule gehörende Hof Dickten befindet sich etwa drei Kilometer entfernt auf einem Hügel. Dort leben Ziegen, Schweine und Hühner. Acht Hektar bieten Wiesen und Weiden für die Tiere sowie für Gemüseanbau, hinzu kommen Streuobstwiesen und vier Hektar Wald.

Das Konzept der Schule wurde in der Planungsphase entscheidend durch die Beschäftigung mit der Arbeit als einem urmenschlichen Phänomen geprägt. Diese als Thema für die Schule heute zu entdecken, ist umso relevanter, als die Kinder in einer Zeit aufwachsen, in der »das Wesen menschlicher Arbeit sich immer weiter den Blicken entzieht und tendenziell mit etwas Unangenehmem assoziiert wird«, wie die Initiatoren Bärbel Blaeser und Matthias Braselmann schreiben. So entstand das Anliegen, den Kindern wieder die Erfahrung zu ermöglichen, Arbeit als etwas Sinnvolles und »Liebenswertes« zu erleben. Dies betrifft seit der Anfangsphase auch die Frage: »Wie wird das kindliche Spiel in die Arbeit des Erwachsenen überführt?« Braselmann hält besonders den Umgang mit Pflanzen und Tieren in der Landwirtschaft für geeignet, die Kinder spielerisch lernen zu lassen und sie in die Ernsthaftigkeit hineinzuführen.

In den ersten Jahren wurde der Hof Dickten wirtschaftlich selbstständig betrieben, was sich jedoch aufgrund der zu geringen Fläche als unrentabel erwies. Seither führt die Schule den Betrieb als schuleigene Landwirtschaft weiter. Klaus Weithauer bewirtschaftet im Rahmen seiner Gartenbaulehrer-Anstellung den Hof. Ihm ist die Landschaftspflegearbeit ein besonderes Anliegen, da die Natur auf die menschliche Arbeit angewiesen ist: »Es ist ein starker Zerfall in der Kulturlandschaft wahrnehmbar und da entsteht eben dieser Auftrag, Landschaft als Kulturraum zu gestalten, Vielfalt zu schaffen für die nächsten Generationen«, sagt Weithauer. Ein Schulbauernhof könne eine Zelle sein, in der wieder damit begonnen wird, den Menschen aktiv an die Natur heranzuführen. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei, dass alle landwirtschaftlichen Abläufe vorhanden sind und die Schüler in sie eingebunden werden.

In den Frühjahrs- und Sommermonaten arbeiten alle Schüler der dritten bis sechsten Klasse zu Beginn des Schultages von 8.00 bis 9.15 Uhr auf dem Hof. Auf folgende Tätigkeiten verteilen sich die Kleingruppen: Tierversorgung, Gartenarbeit, Weidepflege, Heckenpflege, Waldarbeit sowie Arbeiten an einem kleinen Teich mit Brunnen. Die Klassenlehrer begleiten die Schüler bei ihrer Arbeit und leiten sie mit an. Zunächst verteilt der Schulbauer Weithauer die anstehenden Arbeiten. Die werden selbstverständlich von den Kindern gemacht, sagt Braselmann. Sie versorgen die Tiere oder machen Gartenarbeit. »Der Hof hat Bedürfnisse und die müssen befriedigt werden, danach richten sich die Einsätze der Schüler«, bringt es Braselmann auf den Punkt. Nach der Arbeit gehen die Schüler zur Schule zurück. Hier beginnt nach einer Frühstückspause der Hauptunterricht.

Freitagmorgens bereiten die Schüler Produkte für den Verkauf am Marktstand vor. Sie schneiden Blumensträuße, ernten und waschen Gemüse. Nach den Herbstferien kommt nur noch eine kleine Gruppe von Schülern morgens auf den Hof, um über die Wintermonate die Tiere zu versorgen. Diese Gruppe besteht aus einzelnen Schülern der dritten bis sechsten Klasse.

Noch halten viele städtische Waldorfschulen Kooperationen oder sogar Fusionen mit Höfen für technisch nicht machbar oder für zu kompliziert. Gründungslehrer Braselmann: »Seid mutig und klärt ab, was für eure Schule an eurem Ort sinnvoll ist. Wie könnt ihr mit Höfen in Verbindung treten?« Auch hier scheint das universell anwendbare Zitat von Erich Kästner zuzutreffen: »Wer etwas will, der findet Wege, wer etwas nicht will, findet Gründe«.

Zu den Autoren: Marie Emanuel studierte bis 2014 Ökologische Landwirtschaft an der Uni-Kassel. Seit kurzem arbeitet sie auf einem Demeter-Hof. Dr. Thomas van Elsen ist Biologe; mehrere Forschungsprojekte zu den Themen Kulturlandschafts- und Naturentwicklung und Ökolandbau am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel; Verfasser einer Studie zu ökologischen Gesichtspunkten im Vortragswerk Rudolf Steiners. Aktuell baut er die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft auf.

Literatur: B. Blaeser, M. Braselmann: Integrativ und allgemein menschlich. Die WTS geht neue Wege. Erziehungskunst, 4/2000