Die Schülerschule Methodos

Dorothée Krämer

Bayern: Waldorfschule, Klassenzimmer einer 12. Klasse, Nachmittag. Die Stunde ist beendet. Der Lehrer packt seine Sachen zusammen, jemand hat noch eine Frage. Die Hälfte der Klasse ist schon draußen, man hat es eilig, nach Hause zu kommen. Andere erzählen noch ein wenig und schlendern dann hinaus. Nach einer Viertelstunde ist es still: der Raum ist leer. 

Freiburg: Haus der Jugend, im Raum von Methodos, Nachmittag. Die Stunde ist beendet. Der Lehrer packt seine Sachen zusammen, jemand hat noch eine Frage. Dann verabschiedet sich der Lehrer. »Nächste Woche zur selben Zeit?« fragt er.

»Ja genau, bis dann!« antwortet jemand »Und danke!«.

Einer sagt: »Also ich muss los. Aber ich frag mal schnell noch unten im Büro wegen eines Raums für den Tag der Offenen Tür, okay?« »Ja, super«, erwidert ein anderer »und bringst du mir morgen noch den Film über das Kaiserreich mit?«

»Ich schau mir nochmal Bio an, ist wer dabei?« »Ich, aber ich muss unbedingt erst noch was essen!«

Nach einer Viertelstunde ist es dann ruhig: »Lernstimmung«.

Jemand fragt seinen Nachbarn flüsternd nach einer Matheformel. Dann fragt ein anderer: »Würde irgendwer mit mir nochmal das Bündnissystem von Bismarck durchgehen?« »Bin dabei.« Zu zweit verlassen sie den Raum, um die anderen nicht zu stören.

Zwischen den beiden Situationen liegen rund 400 Kilometer, einmal Sommerferien und eine schwere Entscheidung. Nach drei Jahren Waldorfkindergarten und zwölf Jahren Schule habe ich mich entschlossen, mich für mein Abiturjahr der Freiburger Schülerinitiative »Methodos« anzuschließen.

Am meisten faszinierte mich von Anfang an die Eigeninitiative. Da sind ein paar junge Menschen, die beschließen, den Weg zum Abitur selbst zu gestalten und auch die Verantwortung dafür ganz alleine zu tragen. Das klang für mich so spannend, dass ich daran teilhaben wollte. Der Alltag bei Methodos setzt ein hohes Maß an Eigenmotivation voraus. Denn hier sind wir Schüler die Schaffenden: Tun wir es nicht, tut es niemand. Um das Ziel Abitur zu erreichen, muss sich jeder Einzelne intensiv mit seinen Bedürfnissen, seinen Stärken und Schwächen auseinandersetzen. So können wir als Gruppe dann einen Stundenplan zusammenstellen, der den Bedürfnissen aller möglichst gerecht wird, damit jeder das Gefühl hat, seine Zeit effektiv und sinnvoll zu nutzen. Ebenso wie wir selbst bestimmen wann, liegt es auch bei uns, zu entscheiden, wie wir etwas lernen: Jederzeit können wir den Unterricht der Lehrer mitgestalten, andere Lernmethoden ausprobieren und den Unterricht unseren Bedürfnissen anpassen.

Aus all dem ergibt sich ein hohes Maß an Verantwortung, die wir an niemanden abschieben können. Aber gerade diese Verantwortung ist ein wichtiger Teil von Methodos, die ich gerne mit all ihren Konsequenzen mittrage, denn dadurch wird jeder Tag zu einer lehrreichen Herausforderung. Ich bin der Überzeugung, dass junge Menschen gefordert sein wollen, dass sie Verantwortung tragen wollen und die Möglichkeit brauchen, sich frei entfalten zu können. Während meines Klassenspiels in der 12. Klasse der Waldorfschule durfte ich erleben, was es heißt, selbst etwas schaffen zu können, sich einer Aufgabe ganz zu widmen und die Verantwortung für den eigenen Beitrag und somit auch für einen Teil des Ganzen zu übernehmen.

Meine Klasse hatte damals die Möglichkeit, das Theaterstück zu etwas Großartigem zu machen: qualifizierte Regisseure, ein ausreichendes Budget, genügend Zeit und Raum. Die Verantwortung, wie großartig das Stück letzten Endes aber werden würde, lag bei der Klasse, bei der Bereitschaft jedes Einzelnen, sein Bestes zu geben. In dieser Zeit konnte ich den waldorfpädagogischen Sinn hinter dem Zwölftklassspiel spüren und weiß heute, dass ich unglaublich viel gelernt habe, sowohl über mich selbst als auch darüber, wie man Dinge schaffen kann, die man will. Und dieses Wissen kommt einem im Abitur zugute.

Sicher ist, dass ich aus zwölf Jahren Waldorfschule sehr vieles mitgenommen habe. Es sind genau diese Dinge, die mich schließlich dazu veranlassten, mich Methodos anzuschließen. Es ist für mich die logische Konsequenz aus all dem, was ich in zwölf Jahren über Entfaltungsmöglichkeiten und Selbstbestimmung gelernt habe.


Methodos e.V. wurde 2007 von einer Gruppe Freiburger Waldorfschüler gegründet. Die Schüler meldeten sich ein Jahr vor ihrem Abitur von der Schule ab, gründeten den Verein, sammelten Spenden, stellten ihren eigenen Lernalltag zusammen, organisierten einen Raum, stellten Lehrer ein und begannen zu lernen.

Mittlerweile besteht der Verein seit fünf Jahren. Im Großen und Ganzen wurden über die Jahre nur der Verein und die Idee, sich unabhängig von der Schule und selbstständig auf das Abitur vorzubereiten, weitergegeben.
Die Finanzierung, Vereinsarbeit und Organisation des Lernalltags regelt jeweils die aktuelle Gruppe.
Die regelmäßige soziale und lernspezifische Reflexion der einzelnen Teilnehmer und die Aufteilung der Lerneinheiten in Lehrer- und Gruppen- oder Einzellernstunden haben sich bewährt, sodass sie über die Jahre zu einem Bestandteil von Methodos wurden.

methodos-ev.org