Kunst gelehrt – Kunst gelernt: Schüler als Museumspädagogen

Eva Tilgner, Caroline Krebietke

»Woher kommt das Wort Waldorf?« Mehrere Finger strecken sich in den Räumen des Kunstmuseums in die Höhe. »Von einer Zigarettenfirma – die hat meine Oma auch geraucht«, lautet die prompte Antwort eines Sechstklässlers der Waldorfschule Uhlandshöhe. Zusammen mit ihrer Klassenlehrerin besuchen sie die Ausstellung »Kosmos Rudolf Steiner«. Ihre Museumsführer sind allerdings nur ein paar Jährchen älter als sie. Ausgangspunkte für das gemeinsame Projekt waren die seit 2005 entstandene Verbundenheit zwischen der Freien Waldorfschule am Kräherwald und dem Kunstmuseum Stuttgart sowie das Interesse des Kunstmuseums an der Entwicklung neuer Kunstvermittlungsformen, bei denen Jugendliche direkt parti­zipieren und ihre lebensweltlichen Entwürfe einbringen können.

Langeweile lassen die jungen Profis gar nicht erst aufkommen: Da werden Augen verbunden, Zweierteams gebildet und Kreuzworträtsel gelöst: »Schreibt das Wort ›Spiegel‹ , fordern sie die Sechstklässler auf. Findet dann zu jedem Buchstaben ein Adjektiv.« Die Sechstklässler liegen vor der riesigen Spiegelwand von Olafur Eliasson auf dem Boden und schauen sich das Kunstwerk von allen Seiten an. »Super, pfiffig, ideenreich, edel, glatt… «, – die Kinder tragen ihre Lösungen mal wütend, mal traurig, mal lustig vor – alles auf Anweisung ihrer jungen Museumsführer.

Auch mit Hilfe von Rollenspielen werden die Schüler dazu aufgefordert, sich aktiv mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen: Martin, Sascha, Jakob und Hannes stehen vor der Skulptur »Red Figure« von Tony Cragg. Martin gibt den Galeristen. Seine Aufgabe ist es, dem wohlhabenden Paar Jakob und Hannes klar zu machen, dass sie das Kunstwerk unbedingt erwerben sollen. Jakob und Hannes haben aber den kritischen Kunsthistoriker Sascha mitgebracht. Martin legt sich ins Zeug. Schon nach den ersten Sätzen scheint er vergessen zu haben, dass diese Präsentation vor seinen Mitschülern stattfindet. Engagiert erläutert er die Vorzüge des Werkes: Farbe, Proportionen, Materialbeschaffenheit und die Idee des Künstlers … Jetzt schaltet sich Sascha, der Kunsthistoriker ein. Er stellt als erstes die Echtheit des Werkes in Frage. Die rote Farbe sei überhaupt nicht typisch für Tony Cragg, er glaube, dass der Galerist die Arbeit selbst angefertigt habe … »Solche Kurzpräsentationen helfen, sich mit einem Kunstwerk auseinanderzusetzen«, sagt Caroline Krebietke. Rudolf Steiner hätte wohl seine Freude daran gehabt, wie begeistert die Sechstklässler der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe  durch die ihm gewidmete Ausstellung ziehen. »Meine Schüler haben die Jugendlichen gleich als Museumsführer akzeptiert«, berichtet die Klassen­lehrerin. »Mein großer Wunsch war, dass die Kinder nicht nur ins Museum gehen, um die Erwachsenen zu begleiten, sondern dass sie Lust auf Kunst bekommen.«