Die Horte sind bedroht

Astrid Homeyer

Der gesellschaftliche Wandel wirkt sich auch auf die Waldorfschulen aus: Immer mehr Zeit wird von den Kindern in der Schule verbracht. Eine Umfrage des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) vom März 2014 hat ergeben, dass inzwischen fünf Prozent aller Waldorfschulen Ganztagsschulen mit verpflichtendem Unterricht am Nachmittag sind. Die Hälfte aller Waldorfschulen sind offene Ganztagsschulen, das heißt, im Anschluss an den Unterricht bleibt ein Teil der Kinder in der Schule und wird pädagogisch betreut.

Die politischen Regelungen zur Ganztagsbetreuung unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland sehr, es gibt Horte, Randbetreuungen, Offene Ganztagsschulen (OGS), Kernzeitbetreuung, oft werden die Angebote auch auf kommunaler Ebene geregelt.

Pädagogen, die in diesen Nachmittagsbetreuungen arbeiten, haben sich in der Hortbewegung der Waldorfschulen zusammengeschlossen. Dreimal im Jahr treffen sie sich zum pädagogischen Austausch und zur Fortbildung. Es wird an den zentralen Inhalten und Grundlagen der Nachmittagsbetreuung gearbeitet. Immer findet auch eine Hortfachkonferenz statt, dort werden die Belange der Horte besprochen und beraten und zentrale Inhalte der Hortarbeit formuliert.

Im Oktober 2013 sind bei der Kasseler Hortfachkonferenz Lutz Atteln (Hort an der FreiZeit Schule Mannheim), Ralf Buchmann (Hort der FWS Weimar) und Astrid Homeyer (Hort der FWS Hannover-Maschsee) als Hortsprecher gewählt worden. Sie halten den Kontakt zum BdFWS und zu den Ausbildungsseminaren der Erzieher und sprechen für die Hortbewegung.

Im Dezember 2013 waren die Hortsprecher in den Koordinationsrat der drei Verbände BdFWS, Anthropoi, dem Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen, und der Vereinigung der Waldorfkindergärten eingeladen. Es gab einen Austausch zwischen Lehrern, Erziehern, Heilpädagogen und Vertretern des BdFWS. Im Zentrum stand das Wohl der Kinder, die den ganzen Tag in der Schule verbringen. Es wurde gefragt: Welche Grundbedingungen müssen in der Ganztagsbetreuung erfüllt werden, damit die Kinder sich beheimaten können und gesund aufwachsen? Die Hortbewegung der Waldorfschulen setzt sich in besonderer Weise für den Erhalt der festen Bezugsperson und des freien Spiels am Nachmittag ein, deren bisherige Selbstverständlichkeit durch politische Regelungen immer mehr infrage gestellt werden.

Für die Zukunft wird es von zentraler Bedeutung sein, dass es durch die Zusammenarbeit zwischen Schule, Hort und Eltern gelingt, im Ganztagsbereich einen Lebensraum zu gestalten, in dem die Kinder sich wohlfühlen. Es wird darum gehen, für die Kinder da zu sein, verlässliche Bezugsperson für sie zu sein, einen Lebensraum zu gestalten, in dem das freie Spiel im Vordergrund stehen kann, in dem die Kinder sich wahrgenommen, gesehen, gehört fühlen.

Der Hort als Lebensraum der Kinder ist bedroht. In vielen Bundesländern ist die politische Antwort auf die Notwendigkeit der Ganztagsbetreuung eine Abschaffung der Horte, die nicht selten eine langjährige Tradition haben und mit ausgebildetem pädagogischem Personal und eigenen Räumlichkeiten ausgestattet sind. Stattdessen wird eine kostengünstigere Ganztagsbetreuung mit zusammengestückelten Angeboten und wechselnden Betreuern in den Unterrichtsräumen organisiert, oft ohne ausgebildete Pädagogen. Ein Konzept für den ganzen Tag mit Blick auf das Wohl der Kinder sucht man vergebens.

Bei allen Neugestaltungen wird es von großer Wichtigkeit für die Zukunft unserer Kinder sein, dass die Frage nach der Qualität des Ganztagsangebotes gestellt wird. Auf der Grundlage der Waldorfpädagogik sind hier Konzepte möglich, die sich deutlich von den Patchwork-Lösungen im staatlichen Schulbetrieb unterscheiden. Die Hortbewegung der Waldorfschulen steht hier vor einer interessanten und zukunftsweisenden Aufgabe.

Zur Autorin: Astrid Homeyer ist Hortsprecherin