Geld: Keine demokratische Kontrolle

Jürgen Stumpf

Sehr geehrte Damen und Herren von der Redaktion der Erziehungskunst.

Mit großem Interesse habe ich in der Januar-Ausgabe der Erziehungskunst den Bericht über die »Volksinitiative Vollgeld in der Schweiz« gelesen.

Leider treten bei solchen Berichten immer wieder bestimmte Fehler auf, was die Dreigliederung des Sozialen Organismus betrifft.

In der Schlagzeile zum Artikel (oben rechts) heißt es: 

»Geld ist ein öffentliches Gut, das unter demokratischer Kontrolle stehen sollte, wie es Rudolf Steiner in der sozialen Dreigliederung fordert.«
 
Rudolf Steiner, so meine Kenntnis, hat nie etwas in Sachen Dreigliederung »gefordert« – geschweige denn eine »Einführung« solcher Dinge von oben. Und dass das Geld nach Steiner einer »demokratischen Kontrolle« unterliegen solle, ist auch nicht richtig.

Sicher, es ist nicht immer leicht, die richtigen Gedanken zu entwickeln beim Lesen von Steiners Vorträgen, da sie ja zumeist nicht 100 %-ig korrekt aufgeschrieben sind.
Deshalb versucht man ja, Texte aus den Vorträgen zu gleichen Themen untereinander zu vergleichen.

Aber auf Steiners Schriften können wir uns verlassen. Sie enthalten wirklich nur das, was er wirklich schreiben wollte. Und er hat diese Schriften ja auch selbst redigiert.
Nun zum Thema der demokratischen Kontrolle des Geldes:

In den »Kernpunkten« heißt es im dritten Kapitel:

»... Denn gleichgültig, wie aus anderen Verhältnissen heraus die Geldform sich gestaltet: Währung wird die vernünftige Einrichtung des gesamten Wirtschaftsorganismus durch dessen Verwaltung. Die Währungsfrage wird niemals ein Staat in befriedigender Art durch Gesetze lösen; gegenwärtige Staaten werden sie nur lösen, wenn sie von ihrer Seite auf die Lösung verzichten und das Nötige dem von ihnen abgesonderten Wirtschaftsorganismus überlassen.« (»Kernpunkte«, Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach/Schweiz, 1961, GA 23, S. 133)

 
Nur wenige Seiten zuvor betonte Steiner schon:

»Da wird, zum Beispiel, nicht mehr die Staatsverwaltung das Geld als gesetzliches Zahlungsmittel anzuerkennen haben, sondern diese Anerkennung wird auf den Maßnahmen beruhen, welche von den Verwaltungskörpern der Wirtschaftsorganisation ausgehen.« (ebd., S. 130)

 
Das wirtschafltiche Glied des sozialen Organismus unterliegt aber nicht der demokratischen Kontrolle, denn die ist im politischen und rechtlichen Bereich zu Hause.

Das Wirtschaftsleben soll höchstens assoziativ gestaltet sein, nicht aber demokratisch.
Ein ähnlicher Fehler unterläuft manchen Verfechtern des Grundeinkommens gern: Sie sagen, das Grundeinkommen könne möglicherweise das "Soziale Hauptgesetz" verwirklichen, die Trennung von Arbeit und Einkommen. Aber ich denke, auch hier liegt ein Missverständnis vor. Im sozialen Hauptgesetz heißt es nicht zu Beginn einfach: »Gesamtheit von Menschen« sondern: »Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen«:

»Das Heil einer Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen ist um so größer, je weniger der einzelne die Erträgnisse seiner Leistungen für sich besansprucht, das heißt, je mehr von von diesen Erträgnissen an seine Mitargbeiter abgibt, und je mehr seine eigenen Bedüfnisse nicht aus seinen Leistungen, sonder aus den Leistungen der anderen befriedigt werden. ...«


Es geht also um Leistungserträge, die an die Gesamtheit gehen. Nicht arbeitende Menschen (Kranke, Arbeitslose, Rentner, Kinder, Studenten etc.) erbringen keine unmittelbaren Erträge. Sie leben von geschenktem Geld.

Auch dieses Gesetz enthält keine Forderung. Es ist eben ein Gesetz, das gilt wie ein Naturgesetz: Ein Gegenstand unterliegt dem Gesetz der Schwerkraft – da gibt es nichts zu fordern, zu beschließen oder einzuführen; es ist halt so. Ich denke so stur sollte man auch das soziale Hauptgesetz interpretieren.

Mir ist natürlich bewusst, dass dies alles sehr nach »Beckmesserei« riecht. Aber solange sich in »unseren Reihen« falsche Aussagen verbreiten, so lange darf man auch mit dem gespitzten Stift an diese falschen Aussagen herangehen und sie korrigieren, oder?

Leider habe ich in der »Erziehungskunst« keine Rubrik für Leserbriefe gefunden. Vielleicht finden Sie ja noch einen Weg, diese Zeilen dennoch zu veröffentlichen. Ich denke, es ist wichtig für das Verständnis der Sozialen Dreigliederung und für unser politisches Handeln, dass wir nicht von falschen Voraussetzungen ausgehen.


Mit den besten Grüßen

Jürgen Stumpf

Anmerkung der Redaktion:

Die Rubrik Leserbriefe finden Sie hier

Den Artikel von Sebastian von Verschuer »Volksinitiative Vollgeld in der Schweiz« finden Sie hier