Legitime Magie?

Knut Johannes Rennert

Den Artikel »Der sichere Ort« habe ich mit Gewinn und innerer Zustimmung gelesen. Die Ampelrunde, die Annahme eines guten Grundes und die abschließenden Fragen konnte ich gut nachvollziehen und für wichtig halten. Und trotzdem wurde mir beim Lesen immer unwohler, was ich erst mit etwas Abstand verstanden habe: Es mag wohl sein, dass es in einem geschützten Raum für Traumapatienten richtig ist, sich solchen Fragen direkt zu widmen, doch ist die Schule und das Kollegium nicht in diesem Sinne ein geschützter Raum.

Es müsste, damit das gut gehen kann, schon vorher eine Vertrauensbasis da sein, die dem Einzelnen die Gewissheit gibt, dass ihm das, was er sagt, nicht nachgetragen wird, dass alle, nicht nur Einzelne, drankommen (als Sprecher und Besprochene), und dass alle auch bereit sind, ihr Verhalten zu ändern. Doch wenn dieses Vertrauen da ist, braucht es solche Maßnahmen nicht mehr, weil jeder dann mit jedem sprechen kann über das, was ihn bedrängt.

Als Bestandteil von Schülerbesprechungen und der meditativen Beschäftigung mit den Schülern und auch Kollegen ist es überaus sinnvoll, sich zu fragen: Wo ist der gelbe oder rote Bereich eines Menschen, und wo liegen die guten Gründe für sein So-Sein? Das habe ich oft getan, musste dabei aber bemerken, dass das durchaus heikel ist. Denn es ist ja eine Form von Magie, wenn ich versuche, in dieser Weise mit dem höheren Ich eines Menschen in Beziehung zu treten – damit berühre ich seinen intimsten Bereich. So kamen einzelne (nicht alle, aber einige) Oberstufenschüler und Kollegen, mit denen ich es schwer hatte bzw. die es mit mir schwer hatten, mit denen ich ich mich in ähnlicher Weise innerlich beschäftigt hatte, zu mir und sagten: »Herr Rennert, sie machen etwas mit mir! Was machen Sie mit mir? Ich möchte das nicht, dass Sie das mit mir machen!« Gelernt habe ich dadurch, was Demut bedeutet, und wie wichtig die Frage ist: Wirkt die Magie, die ich in dieser Weise ausübe, freilassend und freimachend, oder gegenteilig?

So würde ich jetzt sagen: Was für eine Behandlungssituation richtig ist, muss nicht gleichermaßen auch für die soziale und pädagogische Arbeit geeignet sein. Eine Anregung für die innere Arbeit ist dieser Artikel allemal.