Die Zukunft, Deutschland und die Bildung

Helmut Fiedler

Der Autor wirkt in seinem Schlusswort – es trägt den Titel trotz allem – etwas zurückhaltender als der Untertitel des Buches: Die Voraussetzungen dafür, dass die besten Jahre noch kommen, seien gegeben, doch kämen sie nicht von allein, die Menschen müssten sich schon anstrengen und bemühen, dann ist auch eine Angst unbegründet. Das Prägende der Zukunft sei die Globalisierung, insofern schreibt Röttgen über verschiedene Aspekte dieses Phänomens. Dass der Autor aktiver Politiker ist (für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestages), merkt man der Darstellung sowie der Interpretation an; es handelt sich aber auch in dem Superwahljahr 2009 nicht um eine parteipolitische Schrift.

Röttgen teilt sein Buch im Prinzip in drei große Kapitel: Er beschreibt die Globalisierung; er plädiert dafür, dass jetzt und in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Politik gebraucht wird; er legt eine politische Strategie für die Globalisierung dar. Dadurch, dass die Globalisierung Vieles infrage stellt – Identität, Sicherheit, Nationalstaat, Wohlstandsprivileg des Westens – frage die jetzige Zeit vehement nach dem eigenen Standort, nach dem eigenen Profil. Die aktuelle Finanzmarktkrise habe diese grundsätzliche Unsicherheit mit Macht ins Bewusstsein gebracht, aber sie mache auch deutlich, dass es ohne politische Steuerung nicht gehen würde. Hier bestehe eine prinzipielle Schwierigkeit: Da der Nationalstaat, in dem sich Politik zurzeit noch bewege, die anstehenden Probleme nicht allein lösen könne, müsse es zu einer internationalen Zusammenarbeit kommen. Beispiele dafür gibt es, aber an der EU kann man sehen, dass die politische der wirtschaftlichen Globalisierung hinterherhinke – außerdem haben Unternehmen oft eine größere (finanzielle) Macht, etwas zu entscheiden bzw. zu beeinflussen. Kann die Demokratie überhaupt noch Entscheidungsträger sein? Immer wieder wird deutlich, dass die Menschen nicht nur einzelne Personen in der Politik hinterfragen, sondern am gesamten System zweifeln, was die Antwortsuche auf die Fragen der Globalisierung nicht erleichtert. Der Autor ist aber der Auffassung, dass die Sachlage und ihre Herausforderungen eine politische Gestaltung der Globalisierung nötig machen.

Die politische Strategie für die Globalisierung habe von bestimmten Grundsätzen auszugehen, zu denen die Freiheit jedes Menschen gehöre, aber auch der Schutz der Hilfsbedürftigen. Die Würde des Einzelnen müsse das sozial-ethische Prinzip für die Globalisierung sein, wozu auch eine Renaissance des Leistungsgedankens gehöre; in der Anerkennung der Leistung eines Einzelnen liege auch ein Teil seiner Würde. Als entscheidend schätzt Röttgen die Beteiligungsgerechtigkeit ein, eine Verteilungsgerechtigkeit ist ihm weniger wichtig. Zu der Frage der Beteiligungsgerechtigkeit gehöre die Ermöglichung, dass der Einzelne etwas leisten könne, sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen, damit der Mensch die (finanzielle) Grundlage habe, um auf eigenen Füßen zu stehen, und eine erneuerte Bildungspolitik (ohne Bildung weniger Möglichkeiten der Beteiligung). Diese erneuerte Bildungspolitik müsse drei Prinzipien folgen: Sie müsse die unterschiedlichen Lebensphasen besser erfassen, integrativer ausgerichtet sein und insgesamt früher ansetzen. Röttgen stellt drei Ziele der erneuerten Bildungspolitik in den Mittelpunkt: Der Zusammenhang von familiärer Herkunft und Bildungserfolg müsse aufgebrochen werden, man müsse die im Arbeitsleben Stehenden durch Bildungsmaßnahmen vor dem Abstieg sichern, Exzellenz- bzw. Innovationsvorsprünge müssen sich weiterhin sichern lassen.

An dieser Stelle sei auf das erste Ziel näher eingegangen. Der Autor ist der Auffassung, dass eine größere Chancengerechtigkeit in der Bildung nur erreicht werden könne, wenn ein fünffacher Paradigmenwechsel stattfinde: Es müsse – erstens – die Organisation konsistenter Bildungsverläufe erreicht werden, wozu Röttgen vorschlägt, z.B. den Übergang vom Kindergarten zur Schule verstärkt in den Blick zu nehmen; allerdings sei auch die frühkindliche Bildung ein entscheidendes Feld. Entsprechend sollte – zweitens – die Bildungsfinanzierung neu ausgerichtet werden, wobei konsequenter Weise mehr Mittel in den Elementarbereich fließen sollten; für ein Studium sollte Gebühren erhoben werden, wobei gleichzeitig Modelle erarbeitet werden sollten, die allen eine Bildungsfinanzierung ermöglichen. Die Bildungspolitik sollte – drittens – mit Zielvorgaben sowie Bildungsstandards arbeiten und deren Einhaltung kontrollieren, nicht aber alle Details der Wege dorthin vorgeben. Der Lehrerberuf sollte – viertens – aufgewertet werden, wozu eine veränderte Aus- und Weiterbildung gehöre, damit die Lehrer ihren Aufgaben besser gerecht werden könnten und so auch einen besseren Stand in der Gesellschaft bekämen. Wichtig sei – fünftens – die stärkere Einbeziehung der Eltern, wobei deren Autonomie in der Erziehung ihrer Kinder gleichzeitig nicht angetastet werden solle; die Einbeziehung der Eltern sei besonders bei Kindern mit Migrationshintergrund entscheidend für den Erfolg in der Bildung.

Röttgen beschreibt als Bestandteil seiner politischen Strategie für die Globalisierung noch ein gesundes Wirtschaftswachstum, wodurch die Chance zur Erhaltung des Wohlstands bestehe; hierbei stellt der Autor über das sogenannte Humankapital wieder eine Verbindung zur Bildungsfrage her. In einem letzten großen Abschnitt seiner politischen Strategie geht Röttgen bestätigend der These nach, dass Europa in der Globalisierung der Handelnde werden müsse; hierbei ist sich Röttgen durchaus der Herausforderungen bewusst, die auf die EU zukommen, er geht ihnen am Beispiel der drei gescheiterten Referenden zu Verfassungsfragen in der EU nach.

Das Buch von Röttgen gibt einen guten Einblick in die Gedankenwelt eines aktiven CDU-Politikers sowie in verschiedene Zusammenhänge und Auswirkungen der Globalisierung. Für die Herausforderungen, vor denen der Bildungs- und Erziehungsbereich in diesem Zusammenhang unzweifelhaft steht, bietet es eher wenig Neues und es ist – notgedrungen bei der Zielstellung des Buches – in diesem Bereich auch nicht sehr differenziert.

Norbert Röttgen: Deutschlands beste Jahre kommen noch. Warum wir keine Angst vor der Zukunft haben müssen. 261 S., geb. EUR 19,95. Verlag Piper, München 2009.

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