Menschenwürdige Technik

Tobias Langscheid

Das weite Feld der Technik hat kaum große Impulse durch die Anthroposophie erhalten, obwohl Steiner immer wieder zu technischen Fragen Anregungen in seine Ausführungen eingeflochten hatte. Es waren nur wenige Persönlichkeiten, die auf anthroposophischer Grundlage zur Weiterentwicklung der Technik geforscht haben.

Einer von ihnen war Paul Schatz (1898-1979). Im Juni 1922 besuchte er einen Vortrag Steiners in München. Zu dieser Zeit studierte er Maschinenbau an der Technischen Universität, wechselte später zur Astronomie, Philosophie und Mathematik. Noch im selben Jahr kehrte Schatz den Wissenschaften den Rücken und ging auf eine Holzschnitzschule in Warmbrunn im Riesengebirge, um Bildhauer zu werden. Noch wusste er nicht, wohin seine Lebensreise einmal gehen sollte, doch bildete er in der damaligen Zeit zwei wichtige Voraussetzungen für das sich anbahnende Lebenswerk aus. Er setzte sich an den wissenschaftlichen Fakultäten mit den aktuellen technischen Forschungsfragen auseinander und schulte sich an der Kunstschule, später in seinem Atelier am Bodensee als künstlerisch tätiger Mensch.

Als Kriegsheimkehrer war ihm deutlich: Eine empathie- und lieblos betriebene Wissenschaft ermöglicht die Entwicklung von Technologien, die zerstörerische, todbringende Kräfte entfalten und die Menschheit als Ganzes gefährden. Nur die künstlerische Betätigung hat das Potenzial, die moralischen und freiheitlichen Bestrebungen des Menschen zu unterstützen.

Vier Jahre nach Beginn der Holzbildhauerausbildung beschrieb Paul Schatz in seiner ersten Publikation »Der Weg zur künstlerischen Gestaltung in der Kraft des Bewusstseins« diese Aufgabe der Kunst. Für ihn stellte die künstlerische Tätigkeit eine Genesung des seelischen Lebens nach seinen Kriegserfahrungen und den Erfahrungen eines einseitig verstandenen Wissenschaftsbetriebes an den Universitäten in München und Hannover dar. Die Holzbildhauerei führte ihn an das Goetheanum in Dornach und immer tiefer in die anthroposophische Arbeit.

Die geisteswissenschaftlichen Grundlagen boten ihm einen sicheren Boden, sich von ihrer Perspektive aus wieder mit der Mathematik, der Astronomie und zuletzt auch mit dem Maschinenbau zu beschäftigen.

In dem Vortrag »Der neue baukünstlerische Gedanke«, gehalten am 28. Juni 1914, rief Steiner dazu auf, die Gesetzmäßigkeiten des Raumes nicht nur zu erkennen, sondern auch zu fühlen. Diese Anregung führte Paul Schatz zu der Entdeckung, dass alle platonischen (regulären) Körper nicht allein statischer und mineralischer Natur sind, sondern Bewegungsgesetze in sich tragen, durch die es möglich ist, sie umzustülpen. Diese Entdeckung führte ihn zu neuen Raumformen (Oloide und Kuboide) und zu neuen Bewegungsgesetzen für den Maschinenbau. Das Besondere dieser Bewegungen ist, dass sie rhythmischer Natur sind. Schatz entwickelte aus ihnen die Inversionskinematik (Umstülpungsbewegung) – eine Bewegung, die sich in allen drei Dimensionen, gleichzeitig achterschleifenförmig mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegt und sich heute in Mischmaschinen für die Pharmazie und Industrie bewährt hat – und die Oloid-Technik, die seit Jahrzehnten in wasseraufbereitenden Verfahren angewandt wird.

Das Oloid ist in der Lage zwei wichtige Voraussetzungen für eine biologische Wasserreinigung mit Leichtigkeit zu erfüllen. Bewegtes Wasser ist viel besser in der Lage, biologische Prozesse zu ermöglichen im Vergleich zu ruhendem Wasser. Aus diesem Grunde benützen alle Kläranlagen Pumpen oder Rührer, die mittels Rotation die Wassermassen in Bewegung halten. Es hat sich gezeigt, dass die Inversion der Rotation weit überlegen ist.

Durch die biologische Reinigung »veratmet« mit Hilfe von Sauerstoff das Wasser in biochemischen Prozessen eine Vielzahl von Mikroorganismen und belastende Nährstoffe (totes Laub, organisches Material, menschliche Ausscheidungen). Dabei ist es entscheidend, dass nicht nur viel Sauerstoff mit dem Wasser vermengt, sondern dass dieser möglichst homogen auf das gesamte Volumen bis auf den Teichgrund verteilt wird. Die Mikroorganismen vermehren sich unter diesen günstigen Bedingungen unglaublich rasch und bauen die belastenden Stoffe effizient ab.

Viele Hinweise deuten darauf hin, dass das Wasser vitalisiert wird. Gärtnereien, die mit dem Oloid Regenwasser aufbereiten, beobachten neben dem gesunden Pflanzenwachstum auch eine stabile Gesundheit und müssen weniger mit Hilfsmitteln Pilzerkrankungen eindämmen.

Rhythmisch arbeitende Maschinen

Auffallend an der Wirksamkeit der rhythmisch arbeitenden Maschinen – im Gegensatz zu taktmäßigen Maschinen – ist, dass laufend der geometrische Ort in allen drei Dimensionen und damit die Geschwindigkeit und die Drehrichtung wechselt. Die Apparatur verbraucht viel weniger Energie als herkömmliche und verletzt die sensiblen biologischen Zellstrukturen nicht. Dadurch sind im Umfeld biologischer Prozesse lebensfördernde Wirkungen festzustellen. Die verwendete Energie zur Homogenisierung von großen Wasservolumen nähert sich nahezu homöopathischen Dimensionen. Ein Oloid-Belüfter mit 140 Watt Leistungsaufnahme vermag 15.000 Kubikmeter Wasser (das entspricht etwa 100.000 Badewannen) zu homogenisieren. Über 1.000 Oloide sind zur Zeit weltweit im Einsatz. Schatz hatte die Vision, dass Oloide auch Schiffe antreiben könnten, die nicht nur Menschen und Waren befördern, sondern die Ufer der Seen, Flüsse und Kanäle schonen und gleichzeitig auf die Lebensprozesse im Wasser förderlich einwirken. Von den gewöhnlichen Schiffsschrauben weiß man, dass ihre hochtourigen Umdrehungen die Mikroorganismen pflanzlicher und tierischer Natur zerstören und vor allem auch die Uferzonen beschädigen.

Die Paul Schatz Stiftung, die den umfangreichen Nachlass und das Archiv in Basel pflegt, die eine breite Literatur zur Verfügung stellt und Ausstellungen organisiert, hat sich zur Aufgabe gesetzt, diese umweltschonende und damit menschenwürdige Technik weiter zu erforschen und zu fördern. Eine Reihe von pädagogisch wertvollen Modellen ist bei der Kuboid GmbH erhältlich.

Zum Autor: Tobias Langscheid ist Gärtner und Klassenlehrer und baute die Paul Schatz Gesellschaft in Basel und in Stuttgart auf, organisiert Ausstellungen, hält Vortrage, ist Geschäftsführer der OLOID AG und der Inversions-Technik und der Kuboid GmbH in Basel. www.paul-schatz.ch 

Literatur: P. Schatz: Die Welt ist umstülpbar – Rhythmusforschung und Technik, Zürich 2008 | M. Mochner (Hrsg.): Architektur und Umstülpung, Dornach 2013 | M. Mochner (Hrsg.): Technik und Verwandlung. Wege zu einer menschen- und naturgemäßen Technik, Dornach 2016 | B. Kolass (Hrsg.): Paul Schatz. Leben und Werk des Erfinders der Umstülpung, Projektzeitung, Berlin 2014 | R. Neumann (Hrsg): Bau eines umstülpbaren Würfels, Pädagogische Forschungsstelle, Kassel 2012