Beuys als Architekt

Frank Hörtreiter

Joseph Beuys ist durch die polemisch-einschichtige Biographie von Hans-Peter Riegel kürzlich wieder ins Gerede gekommen. Nun ist wie eine zeitige Antwort von dem Universitäts-Dozenten und Beuys-Kenner Wolfgang Zumdick eine Studie zu einem Arbeitsfeld Beuys erschienen, das trotz seiner Verkündung der »sozialen Plastik« bisher unbekannt war: seine Mitwirkung bei einem groß angelegten Bauprojekt in Achberg am Bodensee. Dort zeichnete sich die Gründung einer freien Universität ab.

An drei grundlegenden Gesprächen für dieses architektonische Vorhaben hat Beuys teilgenommen, deren schriftliche Zusammenfassung hier erstmals veröffentlicht ist. Zumdick stellt diese Gespräche in den Zusammenhang der zunächst in »anthroposophischen« Formen geplanten Entwürfe (vor allem von Erich Zimmer) und der Lebenslage von Beuys. Der Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie war zum enfant terrible geworden, weil er gegen die konventionellen Aufnahmeverfahren rebellierte: Jeder Student musste zur Aufnahme »Mappen« vorlegen und dann wurde ausgesiebt. Beuys – getreu seiner Maxime »Jeder Mensch ein Künstler« – nahm entgegen der Regeln die abgelehnten Studenten auf, um anhand ihrer Arbeit im Atelier zu entscheiden, wer weiterstudieren durfte.

Der Grundsatzstreit mutet nachträglich wie ein aufregender Kommentar zur Waldorfpädagogik an: Soll der Lernende über ein staatliches Zulassungsverfahren weiterkommen, oder durch die persönliche Begegnung mit dem Lehrer?

Das Buch bietet nicht nur zeitgeschichtliche Einblicke und kann zu einer Entgrenzung der »anthroposophischen« Formensprache beitragen: Es hilft auch zur Selbstbesinnung in der pädagogischen Praxis. Auch dies ist ein Blick auf die »soziale Plastik«.

Wolfgang Zumdick: Joseph Beuys und die Architektur – Perspektiven und Akzente, kart., 140 S., Klappbroschur, mit Abbildungen, EUR 22,–, Verlag Johannes M. Mayer/ Info3-Verlag, Frankfurt 2013