Die Arbeit mit der Allgemeinen Menschenkunde

Katia Hornemann

Nach 100 Jahren Waldorfschule, einer enormen weltweiten Ausbreitung der Waldorfbewegung und dem Bild, das sich uns heute an den Schulen bietet, ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke, zumal das Verstehen der Texte immer noch eine große Aufgabe ist.

So resümiert Peter Lutzker, dass die Allgemeine Menschenkunde eine einzigartige Herausforderung sowohl an denjenigen stellt, der sie studiert, als auch an den, der die Waldorfpädagogik unterrichten will. Denn hier komme es auf eine ganz andere Art des Wissens und Könnens an. In allen Beiträgen wird deutlich, wie zukünftig die Waldorfpädagogik nach wie vor ist, welchen Mut es erfordert, heute weiterhin und unbeirrt am Kern ihres Gehalts zu forschen, zu arbeiten und sie künstlerisch umzusetzen.

Im Aufbau der vorliegenden Beiträge wird selbst schon ein künstlerisches Element sichtbar: Zu Beginn stehen Gedanken des Herausgebers zur Allgemeinen Menschenkunde 1919 und heute, die den Leser stimmungsvoll in die Situation zur Zeit der Schulgründung einführen und deutlich machen, wie entscheidend es für unser Tun ist, ein Verständnis davon zu erarbeiten. Es folgen Beiträge von Peter Loebell über die Gesamtkomposition des Kurses mit Blick auf die drei Schwerpunkte Seele, Geist, Leib und von Johannes Kiersch über die von Steiner angeblich bewusst intendierte Unvollständigkeit der Lehrerkurse. Dies bedeute, dass Steiners Vorbereitung der Lehrer nicht nur akademische Lehrveranstaltungen, sondern esoterische Kurse waren, bei denen die Aufmerksamkeit mehr auf ein gewisses »Gewahrwerden der Idee der Wirklichkeit« gelenkt und dieses geschult wurde. Christoph Wiecherts Bericht wendet sich den heute gelebten Impulsen zu. Er schildert Methoden der Kinderbesprechungen und die konkrete Arbeit mit einer Gruppe von Menschen an einer »praktischen Menschenkunde«.

Im zweiten Teil des Buches versucht Roland Halfen eine »Annäherung« an den Begriff »Erziehungskunst«, woran anschließend Klaus-Peter Röh wieder mehr praktisch zur Unterrichtsmethode hinführt, indem er mit Novalis beginnend den Weg des Menschen zu einer je nach Willensstärke mehr oder weniger ausgeprägten Ich-Wesenheit aufzeigt. Auf die praxisorientierten Beiträge folgt ein geisteswissenschaftlicher Blick von Markus Osterrieder auf Strömungen im 9. Jahrhundert, die im Konzil von Konstantinopel gipfelten, und derart real wurden, dass dem Menschen die Möglichkeit abgesprochen wurde, an übersinnlichen Wahrheiten teilzuhaben – die sogenannte »Abschaffung des Geistes«: Was bedeutet das für die Menschheit? Und zuletzt schließt sich der Kreis mit zwei Beiträgen von Peter Lutzker und Walter Hutter, die praktische Methoden der Lehrerbildung schildern.

Aus Sicht der Lehrerbildung und vor allem als praktizierende Lehrerin bedeuten die Beiträge für mich eine große Bereicherung und werden mir Wegbegleiter bei meinem weiteren Tun sein!

Tomás Zdrazil (Hrsg.): Anthroposophie und Pädagogik. Beiträge zur Allgemeinen Menschenkunde Rudolf Steiners, Taschenbuch, 220 S., EUR 19,–, Edition Waldorf, Stuttgart 2017

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