Kein völkischer Gral

Michael Birnthaler

In überzeugender Weise gelingt es Steinwachs, die einseitigen und tendenziösen Darstellungen von Sandra Franz ad absurdum zu führen.

Ein besonderes Verdienst erwirbt er sich mit seinem Nachweis, dass der Gralsbegriff Rudolf Steiners nicht im Dunstkreis der Vordenker des Nationalsozialismus und Antisemitismus zu verorten ist. Stattdessen, so Steinwachs, stand Steiner stets und eindeutig auf der Seite derer, die den Nationalismus, Chauvinismus und Antisemitismus gegeißelt haben. Er zitiert Steiner beispielsweise mit den Worten: »Und ich habe im Antisemitismus nie etwas anderes sehen können als eine Anschauung, die bei ihren Trägern auf Inferiorität des Geistes, auf mangelndes ethisches Urteilsvermögen und auf Abgeschmacktheit deutet« (Steiner, GA 31, S. 383).

Wer Freude an einem sachlogischen rationalen Diskurs der Geister hat, bei dem die Argumentationsstränge der materialistischen Wissenschaft als reduktionistisch und polemisch ausgewiesen werden, ist mit dem Büchlein von Steinwachs gut bedient. Wer Befriedigung daran empfindet, dass die Erkenntnisse Rudolf Steiners und der Anthroposophen über den Gral erwiesenermaßen nicht in eine braune Ecke zu stellen sind, dem sei das Werk von Steinwachs wärmstens ans Herz gelegt. Trotz seines gelegentlich trockenen und akademischen Schreibstils.

Frank Steinwachs: Rudolf Steiner, der Gral und der völkische Nationalismus. Eine kritische Auseinandersetzung mit Sandra Franz’ »Die Religion des Grals«, kart., 94 S., EUR 16,90, Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2014