Spielen ist der Schlüssel zum Erfolg

Christian Rittelmeyer

Wir befinden uns zur Zeit in einem bildungspolitischen Trend, der das freie kindliche Spiel marginalisiert zugunsten einer gezielten Frühförderung zum Beispiel mathematischer und naturwissenschaftlicher Fähigkeiten. Das Buch André Frank Zimpels versucht demgegenüber deutlich zu machen, dass kindliches Spielen alles andere als ein nutzloser und bildungsferner Zeitvertreib ist. Diese Aktivitätsform schult nicht nur in vielfältigster Weise das kindliche Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Erkenntnisvermögen, sondern hilft Heranwachsenden auch, negative Erfahrungen im Sinne einer seelischen Hygiene zu verarbeiten. Solche Bildungsleistungen des Spielens macht der Autor an zahlreichen Beispielen aus der Wissenschaft und an Alltagsbeobachtungen deutlich. Das Buch ist in einem verständlichen, lockeren und anschaulichen Stil geschrieben und könnte insofern für Eltern wie auch für Erzieher und Erzieherinnen in Kindergärten ein anregender Ratgeber sein, zumal immer wieder Bezüge zu Spieltheorien (etwa Piagets) und entwicklungspsychologischen Erkenntnissen (insbesondere aus dem Bereich der Hirnforschung) hergestellt werden. Gelegentliche Trivialisierungen kann man überlesen, etwa wenn erläutert wird, das Konterfei des Kindergartenbegründers Friedrich Fröbel würde einem Bluesgitarristen zur Ehre gereichen oder wenn dieses und jenes als »kaum noch zu toppen« bezeichnet wird. Was mich indessen enttäuschte, ist das Fehlen sowohl einer phänomenologisch-bildungstheoretischen Spielanalyse als auch einer Information über den Forschungsstand zum Kinderspiel.

Ein wesentlicher Sinn des Buches besteht ja darin, einsichtige und realitätsgerechte Argumente gegen das Zurückdrängen des freien Spiels in der Bildungspolitik zu präsentieren. Es gibt inzwischen eine umfangreiche, insbesondere US-amerikanische kritische Forschung zu diesem Thema, die der Verfasser leider übergeht (Kenneth Ginsburg, Sharna Olfman, Dorothy Singer; der High/Scope Ypsilanti Vergleich spielarmer und spielreicher Kindergärten). Die hier empirisch nachgewiesenen Bildungseffekte des Kinderspiels könnte man durch extensive phänomenologische Analysen konkreter Spiele genauer studieren, etwa in Gestalt präziser Beobachtungen der Interaktionserfahrungen in einem Piratenspiel, wie sie der ebenfalls nicht erwähnte Michael Parmentier vorgelegt hat. Wer das Kinderspiel sogar als »Schlüssel zum Erfolg« anpreisen möchte, sollte seine Argumentationsbasis entsprechend facettenreicher ausgestalten.

André Frank Zimpel: Lasst unsere Kinder spielen! Der Schlüssel zum Erfolg. 158 S., kart., EUR 16,95 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011

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