Was geht in Jugendlichen vor?

Um mehr darüber herauszufinden, suchte sie das Gespräch mit einzelnen, mit Cliquen, ganzen Klassen und Lehrerinnen. Die Ergebnisse sind jetzt in Buchform erschienen. Obwohl sie auch Studien und Aussagen von Psychologen und Pädagogen heranzieht, handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, sondern um eine kurzweilige Berichterstattung aus der Welt der 15-Jährigen.

Die Schüler, die zu Wort kommen, sind nicht repräsentativ für alle ihre Altersgenossen. Sie können es auch nicht sein, denn Faktoren wie Schulform, soziale Klasse, Familienzusammensetzung, Migrationshintergrund oder Wohnort spielen bei der Auswahl der Zeugnisse kaum eine Rolle. Dennoch lohnt sich das Buch als »Fortbildung« für Erwachsene sowie als Gesprächsgrundlage im Austausch mit Jugendlichen.

Der Umgang mit dem Internet und dessen Möglichkeiten und Gefahren nimmt in diesem Buch verständlicherweise viel Platz ein. Für Außenstehende mag es manchmal so aussehen, als würden Jugendliche Freundschaften zugunsten ihres Handys vernachlässigen. Dies ist jedoch teils ein Trugschluss, denn viele sind über WhatsApp ständig im Austausch. Alles wird auf diesem Weg in der Clique oder mit der besten Freundin geteilt, besprochen und beraten. Das Jugendzimmer ist nicht nur Rückzugsort, sondern auch »Kommunikationszentrale«. Was sich dort jenseits der Kontrolle der Eltern abspielen kann, wird in aller Ausführlichkeit beschrieben. Wer die Plattformen Instagram, Ask.fm oder Tinder nicht kennt, wer Vokabel wie Sexting, Bikini Bridge, Gamen oder Emojis nicht erklären kann, wird in wenigen Stunden durch die Lektüre auf kurzweilige Art so einiges über eine Art Parallelwelt innerhalb unserer globalen Gesellschaft erfahren.

Der Umgang mit einem unerreichbaren Schönheitsideal, das in der Werbung und in den Medien omnipräsent ist, wird ebenfalls ausführlich thematisiert. Die beliebte Fernsehsendung »Germany’s Next Topmodel« ist ein Anlass für die Autorin sowie auch für manche ihrer Gesprächspartner, einen durchaus kritischen Blick auf den dort sich austobenden Schönheitswahn zu werfen. Heidi Klum stylt und drillt ihre Kandidatinnen, »damit sie am Ende ein marktkompatibles Produkt abgeben«. Tägliches Schminken, Enthaarung und Intimrasur gehören für viele Mädchen zur Norm.

Trotz einem in dem Alter noch fragilen, unzureichend ausgebildeten Selbstwertgefühl kommt man als Jugendlicher heute wie früher nicht darum herum, eine eigene Haltung im Umgang mit medialen Körpervorbildern zu entwickeln. Auf Diät-Blogs verschwindet die Grenze zwischen Gesundem und Krankem. Magersucht und Bulimie sind immer häufiger Ergebnisse eines intensiven »Körpermanagements«.

Die Autorin wollte wissen, ob die Bezeichnung »Generation Porno« zutrifft. Sie kommt dabei zu der Feststellung, dass sich die Haltung gegenüber Sexualität und Liebe in den letzten Jahrzehnten nicht sonderlich verändert hat. Der Bericht über eine Sexualkunde-Unterrichtsstunde in einer 8. Klasse, die so auch vor 10 oder 20 Jahren hätte stattfinden können, steht in starkem Kontrast zu den Aufgaben aus einem sexualpädagogischen Standardwerk, aus dem sie zitiert. In einer seitenlangen Textpassage berichtet Benjamin in der Ich-Form offen und feinfühlig von seinen eigenen Beziehungserfahrungen und denen anderer Jugendlichen. Eine hohe Reflexionsfähigkeit und das aufrechte Suchen nach der Bedeutung einer Partnerschaft prägen seine Beschreibungen. Schönheitswahn und Körpermanagement stehen dabei keineswegs im Vordergrund.

Exzessiver Alkoholkonsum und der Umgang mit Drogen werden in einem kurzen Kapitel gestreift. Harte Drogen spielen scheinbar keine Rolle in der jetzigen Schülergeneration, aber kiffen und sich betrinken gehört doch für einige zum Alltag.

Melanie Mühl: Fünfzehn sein: Was Jugendliche heute wirklich denken, Klappbroschur, 222 S., EUR 18,90, Carl Hanser Verlag, München, 2016