Wie aktuell ist Steiners Kunst-Lehrplan?

Griet Hellinckx

Der Text wird von einer Vielzahl qualitativ hochwertiger Abbildungen begleitet, die vor allem Malerei des 20. Jahrhunderts zeigen. In einem 100-seitigen Anhang werden beispielhaft Bilder von Schülern und Studierenden gezeigt, die mit knappen Kommentaren versehen sind. Die beiden Autorinnen haben es sich zum Ziel gesetzt, den sogenannten Lehrplan – wie er aufgrund von Steiners Angaben für das Malen im Laufe der vergangenen 100 Jahre entstanden ist – im Zusammenhang mit den anthropologischen, pädagogischen und künstlerischen Entwicklungen zu untersuchen. Dabei wird abgeklopft, inwieweit die Inhalte mit Blick auf die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts noch aktuell sind.

Lebendigkeit heißt Wandel, erst recht in der Kunst. Es ist inspirierend zu erkennen, dass die Autorinnen fündig geworden sind »auf der Suche nach Belegen, wie weit sich die Elastizität der von Rudolf Steiner angeregten Aufgabenbereiche des Lehrplanes erstreckt«. Im Zusammenbringen verschiedener Perspektiven wird erkennbar, welche Tiefe und Aktualität der Kunstunterricht für Kinder und Jugendliche haben kann. Für den Lehrenden bietet dieses Buch Stoff zum Reflektieren, zum Erforschen und Vertiefen sowie zum Entwickeln von Aufgaben für sich selbst und für die Schule.

Das Buch führt zu den Quellen des schöpferischen Tuns und verlangt vom Leser, dass er sich auf die Gedankengänge und Zusammenhänge lauschend und schauend einlässt. Es wird erkennbar, dass die Waldorfschule mehr als eine Methodenschule ist. Im Idealfall wurzelt sie in der Lebendigkeit des künstlerischen Prozesses und begrüßt den Wandel, ohne dabei den Bezug zu den menschenkundlichen Grundlagen zu verlieren.

Olga Schiefer/Renate Schiller: Da lebt die Farbe auf unter den Fingern … Über Kunst und Kunstpädagogik, geb., 360 S., EUR 39,90, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2015