»… in einer Art sachlichen Konversierens«. Der Dialog im frühen Fremdsprachenunterricht

Christoph Jaffke

Die Forschungen zur Fremdsprachendidaktik haben gezeigt, dass es für die Lernenden in der Anfangszeit eine große Hilfe ist, wenn man ihnen für dieses »sachliche Konversieren« bestimmte feststehende sprachliche Wendungen (formulaic expressions/chunks) an die Hand gibt, die noch nicht im Einzelnen analysiert, das heißt, Wort für Wort verstanden werden, deren ganzheitliche Bedeutung aber durch den Zusammenhang, in dem sie stehen – und durch die Körpersprache der Unterrichtenden –, klar erkennbar ist. Sie sind für die Lernanfänger »Inseln der Sicherheit« und ermöglichen den Kindern von der ersten Stunde an, miteinander in der Fremdsprache zu kommunizieren. 

»The penny is hidden, where can it be …«

Am deutlichsten lässt sich dieses Vorgehen im Zusammenhang von Lernspielen zeigen. Beginnen wir mit einem kleinen Dialog, der, wie so oft, mit einem Reim eröffnet wird:

»The penny is hidden,
Where can it be –
In my right hand, in my left hand,
Please tell me.«

Die Lehrerin zeigt den Kindern einen englischen Penny und versteckt ihn an­-schließend hinter dem Rücken. Nun bekommt ein Kind die Münze, nimmt beide Hände auf den Rücken und bringt sie dann nacheinander im Rhythmus des Vierzeilers – right hand, left hand – in der geschlossenen Hand nach vorne. Dann wird von den anderen Kindern gefragt: »Is the penny in your (right) hand?« »No, it isn’t. It is in my (left) hand.« … Das Kind, welches richtig geraten hat, darf als nächstes die Anderen zum Raten bringen.

Dieser kurze Dialog wird sinnvoller Weise zunächst im Klassenchor geübt, danach können einzelne Kinder, ab der ersten Stunde in der ersten Klasse, die Frage stellen und beantworten.

Als Ausgangspunkt für eine zweite Aktivität sei der bekannte action rhyme »I’m standing, I’m sitting« gewählt:

I’m standing, I’m sitting,
I’m laughing, I’m looking,
I’m writing, I’m knitting,
I’m washing, I’m cooking,
I’m reading, I’m counting,
I’m driving, I’m rowing,
I’m swimming, I’m shouting.
I’m kneeling, I’m growing.
I’m eating, I’m drinking,
I show my right hand,
I’m talking, I’m thinking.
I show my left hand,
I’m giving, I’m taking,
I show both my hands,
I’m sweeping, I’m baking.
And now I will stand (sit) still.

 

Diese Handlungsfolge bietet eine ganze Reihe von Möglichkeiten, den Kindern durch feststehende Wendungen geeignete Ausdrucksmittel für Ratespiele an die Hand zu geben. Zunächst leben sich die Kinder durch chorisches Sprechen, begleitet von den entsprechenden Bewegungen, in den Zusammenhang der Handlungskette ein. Dann wird dieser Zusammenhang aufgelöst, und es ergeben sich verschiedene Frage- und Antwortspiele:

• Der Lehrer fragt: »Am I sitting?« Die Kinder antworten, anfangs im Chor: »No, you’re not, you are standing.« »Am I driving?« »No, you are not, you’re sleeping.«

• Ein Schüler darf die Klasse verlassen und auf dem Flur irgendetwas tun. Ein anderes Kind steht an der Türe und schaut, was draußen passiert. Die Kinder im Klassenzimmer fragen nun nacheinander die »Reporterin«: »Is she (he) looking«? »No, she isn’t / is not.« – »Is she counting?« »No, she isn’t.« ... »Is she jumping?« »Yes, she is.«

• Ein Kind geht hinaus und kommt kurz darauf von alleine zurück ins Klassen­-zimmer. Nun wird gefragt. »Were you looking?« »No, I was not/wasn’t.« »Were you laughing?« »No, I wasn’t.« »Were you running?« »No, I wasn’t.« … »Were you lying on the floor?« »Yes, I was.«

»The English Bag«

Ein weiteres Beispiel eignet sich zur Einführung diverser Wortfamilien: The English Bag. Das können Spielzeugautos sein (wenn irgend möglich, authentische Dinge wie a London taxi, a London double-decker bus, a police car, an ambulance, a fireengine …). Es können auch verschiedene Tiere sein oder Gegenstände verwendet werden, mit denen die Kinder täglich in der Schule oder zu Hause zu tun haben.

Mit Hilfe fünf verschiedener formelhafter Sprachwendungen können sich die Kinder praktisch voraussetzungslos an diesem Spiel beteiligen:

• »In the English Bag there is … « Die Gegenstände werden einzeln nacheinander hervorgeholt, gezeigt, benannt und auf einem Tisch oder – beim bewegten Klassenzimmer, wenn alle Kinder in einem großen Kreis sitzen –, auf den Boden gelegt. Die Kinder wiederholen das Gesagte im Klassenchor. Es ist sinnvoll, die Anzahl der Gegenstände anfangs gering zu halten, nicht mehr als fünf.

• In einem zweiten Schritt dürfen nun einzelne Kinder sagen, welches Objekt zurück in die Tasche gelegt werden soll. Lehrerin: »Please tell me what to put back in the English Bag.« Schüler: »Please put back the London taxi.« »Please put back the ambulance« …

• Ein Kind bekommt The English Bag, steckt eine Hand hinein und berührt – für die übrigen Kinder unsichtbar – einen Gegenstand. Die anderen Kinder versuchen herauszufinden, welchen Gegenstand das Kind gerade berührt: »Have you got … in your hand?« »No, I haven’t.«/»Yes, I have.«

• Fünf Kinder bekommen einen Gegenstand aus The English Bag in die Hand. Sie stellen sich im Kreis auf, und sobald alle anderen Kinder die Augen geschlossen haben (»Eyes shut, heads down, please!«), werden die Gegenstände untereinander getauscht (»Give one, take one. No grabbing!«). Dann gehen die fünf Kinder herum und legen ihr Objekt einem Kind auf den Tisch (im bewegten Klassenzimmer vor dem Kind auf den Boden). Wenn alle Gegenstände verteilt sind, stellen sich die fünf Kinder nebeneinander vor die Tafel und es heißt: »Heads up, please.« Alle Kinder öffnen die Augen, und diejenigen, vor denen etwas abgelegt wurde, stehen auf und nehmen ihren Gegenstand in die Hand. Nun lautet die spannende Frage: »Did you put the crocodile on my desk/in front of me, Robert?« »No, I didn't/did not.« – »Yes, I did.« … Die Kinder, die richtig geraten haben, kommen in die nächste Runde.

• Zuletzt sagen die Kinder, die nicht geraten wurden, welchen Gegenstand sie vor welchem Kind abgelegt haben: »I put the rattlesnake on Jennifer's desk / in front of Jennifer« …

Durch aktuelle Unterrichtserfahrungen in der Unterstufe im In- und Ausland konnte ich in den letzten Jahren erleben, wie leicht und geradezu selbstverständlich Kinder sich mit Hilfe feststehender Redewendungen in die Fremdsprache einleben und sich in ihr bewegen.

Didaktische Forschungen der jüngsten Zeit haben gezeigt, dass die in frühen Lernstadien aufgenommenen sprachlichen Wendungen im Lauf der Zeit in andere Zusammenhänge transferiert werden.

Literatur:
Eine ausführliche Fassung dieses Beitrags und Hinweise zur Fachliteratur auf Anfrage bei: christophdrjaffke@email.de

Zum Autor: Dr. Christoph Jaffke ist Professor für Fremdsprachendidaktik an der Freien Hochschule Stuttgart, Seminar für Waldorfpädagogik. Er unterrichtete als Englischlehrer an Stuttgarter Waldorfschulen, begründete die Reihe Materialien für den Fremdsprachenunterricht an Freien Waldorfschulen und berät heute Waldorfschulen in aller Welt.