Die Emotionen des Betrachters erwecken das Kunstwerk zum Leben

Nora Mederus

Bei der Kunstform »Performance« handelt es sich um eine situationsbezogene Darstellung Einzelner oder einer Gruppe. Der Schwerpunkt wird hierbei nicht auf einen strukturierten Aufbau, sondern auf das Spontane und das Unvorhergesehene gelegt.

Als Abschlussarbeit einer mehrwöchigen Kunstepoche organisierten wir unsere Abschlussperformance »Kunst über Kunst«: Unsere Grundidee war es, sich einmal in einer Menschenkette um den Kubus des Kunstwürfels zu legen: Um halb eins war der erste Schüler flach hingestreckt auf der Treppe am Schlossplatz. Der nächste schloss sich ihm an und als wir neunzehn Schüler am Boden liegend die Königsstraße erreichten, hatten wir endgültig die Aufmerksamkeit der Passanten auf uns gezogen. Der Letzte in der Reihe stand auf. Während er sich zu den Beginn der Kette bewegte, rezitierte er unbeirrt ein ausgewähltes Künstlerzitat wie »Höhere Wesen befahlen: obere rechte Ecke schwarz malen«, oder »Die Emotionen des Betrachters erwecken das Kunstwerk zu Leben« und legte sich wieder an den Anfang der Kette. So umrundeten wir den gesamten Kubus.

Die spontanen Reaktionen der Zuschauer waren spannend: Ein beschäftigt aussehender Manager mit Handy am Ohr blieb interessiert, aber auch etwas schockiert vor uns stehen. Als ein Schüler aufstand um sich erneut an den Anfang der Menschenkette zu legen, war er sichtlich erleichtert und sagte zu seinem Gesprächspartner: »Gott sei Dank, sie stehen wieder auf!«

Es kamen aber auch erstaunte Kommentare wie z.B.: »Das ist doch keine Kunst. Die blockieren hier nur den Weg« oder »Ist das ein Projekt gegen Stuttgart 21?«. Sehr schön war auch der Spruch »Sind die von der Aktion »Rettet die Wale?« Rückblickend war es eine interessante und schöne Erfahrung, sich trotz Wind und Regen um den Kunstwürfel zu legen. Den meist überraschten Passanten bzw. Betrachtern und ihren Emotionen gelang es auf diese Weise unser Kunstwerk zum Leben zu erwecken.

Nora Mederus ist Schülerin der Klasse 12 B der Freien Waldorfschule am Kräherwald, Juni 2010.