Eurythmieunterricht als Forschungsgegenstand

Michael Werner

Zum ersten Mal wird der Eurythmieunterricht von unterrichtenden Eurythmielehrern im Sinne einer empirischen Sozialforschung untersucht. Seit über einem Jahr läuft an der Alanus Hochschule das Forschungsprojekt, das folgenden Fragen nachgeht: Wie steht es um die Eurythmiepädagogik an den Waldorfschulen in Deutschland und was ist eigentlich guter Eurythmieunterricht? Das Projekt besteht aus drei Phasen, in denen ganz verschiedene Zugänge zur Eurythmiepädagogik systematisch untersucht werden.

Die erste Phase: Sieben erfahrene Eurythmiekollegen untersuchen und beschreiben ihren eigenen Unterricht. Die Frage dabei ist: Was ist eigentlich guter Eu­rythmieunterricht und wie entsteht er? Diese Frage wird individuell und empirisch angegangen. Die eingesetzten Instrumente sind das Unterrichtstagebuch, die Hospitation und die Inter­vision. Ziel ist es, eurythmiepädagogische Erfahrungen von Lehrern und Schülern zu sammeln, zu ordnen, nach bestimmten Kriterien zu untersuchen und die Ergebnisse in einer verständlichen Sprache zu schildern.

Die beteiligten sieben Eurythmielehrer setzen geeignete wissenschaftliche Methoden ein und werden wissenschaftlich begleitet, gespiegelt und befragt und entwickeln allmählich ihre eigene Forschungspraxis. Die ersten Er­- gebnisse werden in einem Kolloquium vorgestellt, das vom 21. bis 22. September 2012 an der Alanus Hochschule stattfinden wird.

Die zweite Phase: Eine etwas größere Anzahl von Eurythmisten in Waldorfschulen und Fachexperten untersucht den Fragenkomplex: Welchen Beitrag zur Entwicklung der Persönlichkeit und zur Entstehung der Eigenständigkeit der Schüler schafft der Eurythmieunterricht? Die thematische Vorgabe für die Eurythmiepädagogen wird von einem Kollegium, bestehend aus Erziehungswissenschaftlern, Sozialwissenschaftlern, dem Schularzt und einem Heil­euryth- misten eingegrenzt und formuliert. Damit werden der Eurythmieunterricht und die mit diesem Thema verbundenen pädagogischen Anliegen dokumentiert, untersucht und nachvollziehbar gemacht. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird das Material dann vertiefend untersucht.

Die dritte Phase: Die in den ersten beiden Phasen gewonnenen und untersuchten »eurythmiepädagogischen Techniken« werden von einer größeren Gruppe von Eurythmie- pädagogen im Unterricht angewendet und auf deren Eignung und Wirksamkeit geprüft.

Parallel zu diesen drei Phasen werden im Rahmen von Master- und Doktorarbeiten weitere Themen zur Eurythmiepädagogik untersucht und bearbeitet. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden publiziert.

Jetzt befinden wir uns mitten in der ersten Phase und die zweite Phase ist bereits in Vorbereitung. Die beteiligten Eurythmiepädagogen treffen sich regelmäßig, tauschen ihre Erfahrungen mit wissenschaftlichem Arbeiten aus und ermutigen sich gegenseitig, diesen für sie neuen Weg zu gehen und die damit verbundenen fachlichen und persönlichen Lernschritte zu verfolgen. Es zeigen sich auch schon ganz neue Aspekte, wie der eigene Unterricht angeschaut, erfasst und beschrieben werden kann. Dabei sind wir, bei aller Irritation und Unsicherheit, die mit dem systematisch-empirischen Forschen verbunden ist, zuversichtlich, mit diesem Schritt die klaffende Lücke in der Dokumentation und wissenschaftlichen Bearbeitung der Eurythmiepädagogik zu schließen. Wir wurden in unseren Ausbildungen durch eine künstlerische Haltung geprägt und lernen gerade, die systematische Erkundung des Unterrichts mit dieser Haltung zu verbinden, ohne unsere Quellen zu verlassen. Wir hoffen, auf diesem Wege eine neue Basis zu schaffen für einen fälligen und fachübergreifenden Dialog zur Eurythmiepädagogik.

Das Forschungsprojekt entstand aus einer Initiative von Stefan Hasler (Fachgebiet Eurythmie an der Alanus Hochschule) in Zusammenarbeit mit Charlotte Heinritz (Fachbereich Bildungswissenschaften an der Alanus Hochschule). Eingebunden in die erste Phase sind die Eurythmiepädagogen Andreas Borrmann (Berlin), Imogen Scheer-Schmidt (Herne), Jürgen Frank und Michael Werner (Hamburg-Bergstedt), Norbert Carstens (Bochum), Claudine Gauthier (Bergisch Gladbach), Peter Elsen (Schopfheim) und als Begleitung und Beirat die Eurythmieausbildungen in Stuttgart, Den Haag und der Alanus Hochschule in Alfter.

Link: www.eurythmieforschung.de