Mathe-Festival in Stockholm

Franz Peter Waritsch

Mathematische Strukturen sind schön – besonders wenn man von den beiden Zahlen Pi – der Kreiszahl – und Phi – der Zahl, die das Zahlenverhältnis des Goldenen Schnitts angibt – ausgeht. Schon die Eröffnung des Festivals mit Dunkelheit, Projektionen von geometrischen Verwandlungen und Musik sorgte für Überraschungseffekte. Dann präsentierten die Lehrer ihre Workshops, an denen auch ehemalige Schüler mitwirkten. 

Leonardoräder und DNA-Spiralen

Aus runden großen Kartons wurden geometrische Körper wie der Ikosaeder gestaltet. Die Schüler konstruierten dazu mit der Software Creo 3D einen beweglichen Ikosaeder am Computer. In der Holzwerkstatt bauten sie ein zwei Meter hohes Leonardo-Rad. Von seinen 48 Punkten konnten sie farbige Fadenmuster erzeugen. Dabei wurde eine Formel erstellt, die zeigte, dass insgesamt 1128 Verbindungsfäden gezogen werden konnten.

Als Pendant dazu konnten magische Quadrate verschiedenster Größen durch zyklische Zahlenfiguren gelöst werden. Dass es auch Chaosquadrate gibt, war für alle neu. Ein Chaosquadrat hat im Gegensatz zum magischen Quadrat verschiedene Summen in allen Zeilen, Spalten und großen Diagonalen. Einige Schüler fanden dazu Lösungen, jedoch kein System. Musikalisch Versierte untersuchten experimentell und rechnerisch Naturtonreihen. Pythagoräische Zahlenverhältnisse wurden dabei anschaulich.

Ein Achtklässler bot gar einen gut besuchten Workshop zu Origami an. Und ein Mathematiklehrer kam auf die Idee, zusammen mit der Schmiedewerkstatt an geometrischen Drahtkonstruktionen Seifenblasenformen zu studieren – mit sehr erstaunlichen Resultaten!

Im Biologiesaal bauten Schülergruppen eine über vier Meter hohe DNA-Doppelspirale, die sich zur Hauptattraktion des Festivals entwickelte. Die Biologielehrerin erklärte die Abfolge der Basen in den jeweils zehn Paaren, welche die Spiralen pro Umlauf verbinden. Es wurde ein Prototyp gebaut, der die ungewöhnliche Kombination von Pi und Phi im Grundriss wiedergibt. Man denke an Rudolf Steiners Hinweis auf die grundsätzliche Bedeutung des Geraden (Phi) und des Runden (Pi) für alle Formgebungen. Die DNA ist eine zylindrische Doppelspirale, wobei die beiden Spiralen im goldenen Schnittverhältnis sich übereinander lagern. Die Diagonale im Rechteck wird beim Zusammenrollen zum Zylinder eine Spirale. Der Durchmesser dieses Hilfszylinders misst laut Forschung 21 Ångström, die Höhe eines Spiralumlaufes 34 Å, während die zweite Spirale konstant 13 Å darunter liegt. 13,21 und 34 sind aber Fibonaccizahlen, deren Quotientenfolge Phi als Grenzwert besitzt. Beim Modellbau gingen wir vom Grundriss des zugehörigen rechteckigen Zylindermantels aus, dessen Länge folglich D x Pi und dessen Höhe D x Phi messen (D=Durchmesser). Das Verhältnis Höhe/Breite Phi/Pi lässt schließlich auch den Steigungswinkel der Spirale berechnen. Auf diese Weise konnten die Schüler am Modellbau konkret u.a. den goldenen Schnitt erleben.

Musikbands – Radiosendung – Flashmob

Verschiedene Musikbands und Auftritte mit Tanz auf der offenen Bühne sorgten am Abend für Begegnung und Feststimmung. Das schwedische Radio ging live auf Sendung und interviewte fast eine Stunde lang Lehrer und Schüler. Zum Abschluss gab es einen Flashmob, an dem jeder freiwillig teilnehmen konnte. Schüler transportierten die DNA-Spirale unbeschädigt in der Tunnelbana zum Sergels-Platz in der Stockholmer Innenstadt. Dort präsentierten sie das vier Meter hohe Symbol des Lebens mit Instrumentalmusik und geometrischen Bewegungen. Das Festival rief in der Öffentlichkeit viele positive Reaktionen hervor. Die Behörden in Schweden grübeln seit mehreren Jahren darüber nach, wie der wachsende internationale Rückstand der Mathematikkenntnisse der schwedischen Schüler aufgeholt werden kann; das machte sie auf unsere Initiative aufmerksam.

Die Kristofferskolan hat vor, das Mathe-Festival zur jährlichen Tradition zu machen. Zur Zeit planen auch die Waldorfschulen in der gesamten Region Westschweden ein solches Ereignis.

Kontakt: E-Mail: waritsch@me.com