Mit Pfirsichblüte und Kinderzauber

Nana Göbel

Während draußen der Frühling langsam begann, die Blüten der Obstbäume und der Azaleenbüsche die Natur mit einem zarten Rosa und einem dunklen, rötlichen Violett überzogen, versammelten sich die angereisten Waldorfpädagogen in dem staatlichen Bildungszentrum, in dessen gepflegtem Park sich eben jene Farbenpracht entfaltete. Zum fünften Mal trug Christof Wiechert, der emeritierte Leiter der Pädagogischen Sektion am Goetheanum, mit einem siebentägigen Vortragszyklus über anthroposophische Menschenkunde zum Gelingen dieser Tagung bei. Seine Darstellungen zu den methodischen Grundlagen wurden von Mal zu Mal konzentrierter und geistig dichter. Wiechert ist inzwischen zum geliebten Lehrer der asiatischen Waldorfbewegung geworden.

Es folgten Arbeitsgruppen zur Vorbereitung der neuen Schuljahre, zur Bothmer-Gymnastik, zur Handarbeit für den Kindergarten und die Schule sowie künstlerische Gruppen. Die Dozenten kamen aus Indien, Thailand und Korea genauso wie aus Deutschland, Neuseeland und Israel. Am letzten Abend wurde die Sinnhaftigkeit und Effizienz einer solchen siebentägigen Zusammenarbeit sichtbar, als die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen vorgetragen wurden. Mit präziser Leichtigkeit und einer wunderbaren Anmut wurden die ton-eurythmischen Übungen mit Rieko Hata vorgetragen. Der Gesang der Herren, die ein vergleichendes Studium der Geschichte der asiatischen Länder unternahmen (man bedenke, dass die Vorgänge des Zweiten Weltkrieges in dieser Region noch in keiner Weise öffentlich aufgearbeitet und die Wunden tief sind), ließ hingegen ein gewisses Schmunzeln entstehen und es wurde klar, dass die Begabungen dieser Oberstufenlehrer an anderer Stelle liegen.

Zum ersten Mal in der Reihe dieser Tagungen wurden intensiv kulturhistorische und geographische Themen behandelt. Dazu kamen Unterrichtsbeispiele – meistens der 5. Klassen – der Cheonggye Waldorfschule, der Purunsup Waldorfschule, der Waldorfschule Seoul, der heilpädagogischen Schule in Yangpyoeng, der Dongrim Waldorfschule und der Gurumsan Waldorfschule – alles Schulen im Umkreis von Seoul. Von Siebtklässlern mit gelben Kleidern und Hüten wurden wir zu Tagungsbeginn mit Trommeln und Flöten empfangen; traditionelle Rhythmen geleiteten uns zum Konferenzsaal. Höhepunkte waren die Abendaufführungen der Schüler. Die 12. Klasse der Cheongyye Waldorfschule zeigte Beispiele aus ihrer Eurythmiearbeit, das Oberstufen-Orchester dieser Schule spielte sich mit Wiener und tschechischer Musik in die Herzen aller Zuhörer. Mit vielleicht noch größerer, aber sicher ebenso großer Begeisterung wurde die Eurythmieaufführung der vier Eurythmisten Koreas mit Beispielen westlicher und koreanischer Komponisten aufgenommen.

Während der Pausen und abends nach den Aufführungen saßen Lehrergruppen beieinander und bearbeiteten Vorträge und Arbeitsgruppeninhalte und halfen sich gegenseitig, die Inhalte zu verstehen, die ihnen wegen mangelhafter Übersetzung oder aus anderen Gründen entgangen waren. Es herrschte eine unglaublich fleißige, angeregte und freudige Stimmung, überall wurde schul- und sprachübergreifend gesprochen, gesungen oder geübt. Eine Dichte, die nur die aktive Stille erlaubt, entstand am letzten Nachmittag, als wir des am Morgen plötzlich und unerwartet verstorbenen Dozenten Christian Kröner gedachten und eine Totenfeier mit allen seinen neuen asiatischen Freunden abhielten, aus deren Mitte er so plötzlich gerissen worden war. Diese Tagungen (2005 in Taiwan, 2007 in Bangkok, 2009 in Manila und 2011 in Hyderabad) sowie ihre Vorgängertagungen werden seit 1996 von den Vertretern der entsprechenden Länder gemeinsam mit den »Freunden der Erziehungskunst« organisiert. Sie sind inzwischen das wichtigste überregionale Fortbildungsinstrument geworden und tragen unmittelbar zum Zusammenwachsen der Kindergärten und Schulen in den einzelnen Ländern wie auch zur Entwicklung einer asiatischen Waldorfbewegung bei. Die Reihe wird 2015 in Japan fortgesetzt.