Work & Travel in Australien

Jan Geissbauer

Ich hatte nicht viel geplant. Ich konnte nicht begreifen, dass dreizehn Jahre Schule wirklich zu Ende sind, weil ich nie etwas anderes gemacht hatte, als zur Schule zu gehen. Als der letzte Schultag vorbei war und ich immer noch nicht wusste, was ich machen will, fing ich an, mir ernsthafte Gedanken zu machen. Nach vielen Stunden der Recherche und vielen langen Gesprächen entschied ich mich endlich für eine Reise durch Australien und eine Organisation, die mich bei meinem Abenteuer als Work & Traveller begleiten sollte. Was ich brauchte, waren ein Reisepass, ein Visum, ein internationaler Führerschein und Geld für den Flug, weshalb ich noch zwei Monate in einer Brezelfabrik in meiner Nähe arbeitete. Als ich in Sydney ankam, spielte mein Zeitgefühl total verrückt. Das liegt daran, dass die Zeit in Australien um zehn Stunden verschoben ist und ich einen gewaltigen Jetlag hatte. Doch nach einer Woche, die ich in Sydney verbrachte, legte sich der Jetlag langsam und ich merkte fast keinen Unterschied mehr.

Von zu Hause aus hatte ich schon die Unterkunft für die ersten Tage, eine Einführungsveranstaltung, einen Restaurantbesuch und zwei Trips gebucht. Der erste Trip war eine eintägige Surftour an einem der vielen schönen Strände Sydneys, die von den sportbegeisterten Australiern oft besucht werden. Der andere Trip war eine Reise in die Blue Mountains, die diesen Namen tragen, weil die Blätter des dort wachsenden Eukalyptus ein ätherisches Öl und Wasser enthalten, das über den Bergen in der Sonne verdunstet. Das Öl bleibt in der Luft und verursacht bei Tageslicht oft einen blauen Schimmer. In Sydney sah ich mir natürlich die Stadt mit der berühmten Harbour Bridge, dem weltbekannten Opera House und dem exotischen botanischen Garten an. Ich schlenderte durch die Innenstadt und bestaunte die Skyline. 

Mangos und Moskitos 

Weil ich das Geld in Sydney viel zu leichtsinnig ausgab, musste ich langsam nach meinem ersten Job Ausschau halten. Nachdem ich in Sydney kein Glück hatte, flog ich nach Cairns, in den tropischen Norden. Hier begann gerade die Mango-Erntezeit und mir wurde von meiner Organisation ein Job im Tableland vermittelt, einer Region mit vielen Farmen und fast keinen Städten oder Dörfern. Dort in Mareeba, für deutsche Verhältnisse eine Kleinstadt, musste ich erst einmal über 25 Stunden warten, bis ich zu meiner Unterkunft gebracht wurde. Es dauerte nicht lange und ich wurde von Aborigines, die dort auf der Straße leben und schon um sechs Uhr abends stockbetrunken sind, auf Geld für den Bus oder Essen angesprochen. Bis in die 1940er Jahre beuteten die weißen Einwanderer sie aus und raubten ihnen ihre Heimat und Kultur. In den 1950er Jahren wurde die Weltöffentlickeit auf diese Umstände aufmerksam und erst seit 1975 wird Diskriminierung aufgrund der Rasse bestraft. Doch bis heute haben sich die Aborigines davon noch nicht erholt, obwohl sie staatliche Stütze erhalten.

In Mareeba übernachtete ich in einem Wohngebiet auf einer Wiese. In dieser Nacht setzten mir nicht Schlangen, Frösche und Spinnen zu, sondern eine Armada von Moskitos. Am nächsten Morgen stand ich total verstochen, erschöpft und unaus­geschlafen auf.

Als Erntehelfer zu arbeiten ist sehr populär in Australien, da zu jeder Zeit in verschiedenen Regionen geerntet wird. Es ist harte Arbeit, weil man oft zehn Stunden am Tag und bei jedem Wetter ran muss. Dafür gibt es aber einen guten Lohn von umgerechnet mindestens zwölf Euro. Andere Jobs gibt es  in der Gastronomie. Ob in Eisdielen, Cafés, Pubs oder Restaurants – in allen Bereichen sind Backpacker anzutreffen. Weil die Gesetze sehr streng sind, braucht man bei einer Tätigkeit, die im weitesten Sinne mit Alkohol zu tun hat, eine Lizenz. Man kann als Work & Traveller auf Veranstaltungen Speisen, Getränke und Fanartikel verkaufen, in der Fußgängerzone Broschüren und Flyer verteilen oder sich sozial einbringen, indem man Kinder betreut, alte Menschen pflegt oder als Sporttrainer arbeitet. 

Auf dem Fahrrad durch die Nacht 

Bei meinem Mangojob wurde ich nach fünf Tagen entlassen, weil man mir falsches Umgehen mit den Früchten vorwarf und ich die Früchte beschädigt haben sollte. Die Arbeit war für die anderen Erntehelfer zwar auch nach zwei Tagen zu Ende, aber das machte mir erst klar, wie unbedeutend so ein Gelegenheitsarbeiter für den Farmer ist. Am selben Tag zog ich noch los und suchte mir einen anderen Job. Schon am nächsten Tag arbeitete ich auf einer anderen Farm. Als ich an diesem Abend noch dreizehn Kilometer mit dem Fahrrad zur Unterkunft fahren musste, war es schon dunkel und es fing an zu regnen. Zu meinem Unglück konnte ich nichts sehen, es gab keine Dörfer, an denen ich mich hätte orientieren können. Also fuhr ich auf dieser Straße ohne Licht, außer dem schwach leuchtenden Handy-Display, fast eine Stunde lang im Regen, der so stark war, dass man meinen konnte, man befinde sich in einem Swimmingpool. Mein Handy war danach kaputt. 

Ananas im Regenwald 

Später arbeitete ich noch auf einer Ananasfarm. Hier war meine Aufgabe, die Ananas vom Strauch zu pflücken und auf ein Fließband zu legen. Das wäre eine leichte Arbeit gewesen, wenn das Wetter nicht so tropisch und schwül gewesen wäre. Doch ich war mitten im Regenwaldgebiet und zu dieser Zeit begann die »Wetseason«: Die Arbeit war schon morgens um sieben Uhr so schweißtreibend, dass mein Hemd klatschnass wurde und ich täglich mehr als fünf Liter Flüssigkeit trinken musste. Dieses tropische Klima und eine große Anzahl von Amphibien, Reptilien, Spinnen, Eidechsen oder exotischen Vögeln, von denen die Hälfte nur in Australien beheimatet sind, gibt es nur in dieser Region. Genau so einzigartig sind die roten Wüsten, wie die Gibson­wüste und die Victoriawüste, wo es manchmal über mehrere Monate hinweg nicht regnet und wo sich die Skorpione, Beuteltiere und Schlangen, von denen 25 Arten für die Menschen gefährlich sind, aufhalten.

Das Work & Travel ist für alle, die noch unschlüssig sind, was sie nach der Schule machen wollen, eine gute Er­fahrung, weil man im Ausland ist und nebenher Geld verdienen kann. Doch das Interessante ist das Reisen selbst. Man kann beim Great Barrier Reef tauchen, zum Red Rock fahren, in Melbourne ein Formel-1 Rennen und ein Tennis­match beim Australian Open anschauen oder sich in Brisbane einfach für ein paar Tage ausruhen. Die größte Herausforderung ist dabei, dass man sich alleine um alle seine Angelegenheiten kümmern muss. Aber daran wächst man.