Rhythmisches Denken

Ute Hallaschka

Das ist das rhythmische Wesen in uns. Die andere Vorstellungsweise liegt weit außerhalb von uns und ergibt unmittelbar Bilder. Das Meer, das anlandet, der Sonnenauf- und untergang, die Jahreszeiten, die Bewegungen der Gestirne. Damit sind wir makrokosmisch wieder dort gelandet, wo wir mikrokosmisch die Frage im eigenen Körper verorten – in der Bewegung.

Jetzt zeigt sich ein drittes, eine Art Umkippeffekt. Fragen wir noch einmal nach: was ist ein Rhythmus eigentlich? Die pure Bewegung haben wir hinter uns, das Intervall im zeitlich-räumlichen Verlauf, die periodische Wiederkehr zeigt ihn als Zeitgestalt – damit ist aber nicht gesagt, was der Rhythmus selbst ist. Schwimmt das Rhythmische als Zeitgestalt wie ein Fisch im Wasser im Meer des Zeitlosen, ist es also die Umgebung, die ihn als Ausschnitt erscheinen lässt, oder sind es die einzelnen Schläge der Dynamik, ist es der Taktstock des Dirigenten, was den Rhythmus zum Rhythmus macht?

Der Umkippeffekt spielt zwischen innen und außen. Zwischen dem, was wir als Druckverhältnis wahrnehmen, als Folge von Hebung und Senkung, als Wechsel von Schwere und Leichte und dem, was der Umraum ist. Die Leere, die Stille, die Pause zwischen den einzelnen Einschlägen, welche sie erst erscheinen lassen in ihrer Eigendynamik. Ist das Meer der Rhythmus der Welle oder ist die Welle der Rhythmus des Meeres? So wird die Fragestellung plastisch.

Ein Vorgang, der im Urbild der Atemgestaltung erscheint, Rhythmus als die Vermittlung, die unablässige Verwebung, die Kommunikation zwischen innen und außen. Dieses Weben macht es überhaupt erst möglich, dass ein Wesen als solches erfahrbar wird in seinem eigenen Kreislauf. Die rhythmische Wiederkehr von Geburt und Tod gibt allen Gestalten auf Erden ihre spezifische Kontur. Bis hin zu den Steinen, deren rhythmische Veränderungszyklen wieder so weit außerhalb unserer Vorstellung liegen, dass wir erneut im kosmischen Geschehen landen.

Wer Rhythmus zu denken versucht – und damit wird man nicht fertig, solange man lebt – erfährt konkret die eigene Identität, das sterblich-unsterbliche Menschenwesen. Mit ein bisschen Konzentration und wahrnehmender Beobachtung gelangt so jeder Mensch im empirischen Selbstversuch auf die Ebene des Ätherischen. Dort lebt der Rhythmus. Wer seinen Begriff wirklich zu fassen versucht, kann gar nichts anders, als sich selbst in der geistigen Welt am Werk zu erleben.