Rudolf Steiners Denken in Farben und Formen. Zwei Ausstellungen im Kunstmuseum Wolfsburg

Angelika Wiehl

Damit wird angeknüpft an Kandinskys Entdeckung einer neuen Ausdrucksmöglichkeit des Geistigen in der abstrakten Kunst. Das Universelle des Geistigen formt sich in Steiners Werk zu einem ganzheitlichen Weltbild, das in vielfältiger Weise heute in ökologischen, religiösen und wirtschaftlichen Erneuerungsbestrebungen Beachtung findet.

Der erste Teil der Wolfsburger Ausstellung, »Rudolf Steiner. Die Alchemie des Alltags«, wird vom Vitra Design Museum in Weil am Rhein konzipiert. Die umfassende Retrospektive zu Steiners Entwürfen und Konzepten in Kunst, Architektur, Design und Gesellschaft findet erstmals außerhalb der anthroposophischen Szene statt. Sie weitet den Blick auf das gesamtgesellschaftliche Interesse an den geistigen Strömungen der klassischen bis zur gegenwärtigen Moderne.

Die vom Kunstmuseum Wolfsburg in Kooperation mit dem Kunstmuseum Stuttgart zusammengestellte Schau »Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart« zeigt Positionen zeitgenössischer Künstler, die in Bezug stehen zu den philosophischen Ideen und der Weltsicht Rudolf Steiners. Skulpturen, Gemälde, Objekte, Videoprojektionen und Installationen von Tony Cragg, Olafur Eliasson, Helmut Federle, Meris Angioletti oder Bernd Ribbeck werden einem Ensemble von Dokumenten, Modellen, Skizzen und Wandtafelzeichnungen Steiners gegenübergestellt, die als Entwürfe für Kunstvorhaben wie das Goetheanum oder im Kontext seiner über 5000 Vorträge entstanden sind.

Joseph Beuys setzte sich mit Steiners Ideenwelt auseinander und versuchte, für seine soziale Plastik »die Entfremdung und das Misstrauen gegenüber dem Übersinnlichen nach und nach wegzuräumen«. Gegenwartskünstler wie Olafur Eliasson oder Carsten Nicolai tragen zum Wahrnehmen und Erkennen der Differenzen, aber auch der Begegnungen von Kunst und Wissenschaft bei.

Dass Grenzen zum Geistigen durch schöpferische Erkenntnisakte überschritten werden können, zeigt sich im künstlerischen Medium. Ein 15 Meter hoher Farbenflügel, eine Skulptur von Katharina Grosse, wird den Ausstellungsbesucher auf Steiners »Denken in Farben und Formen« einstimmen und ihn zu einer künstlerischen Entdeckungsreise einladen.

Waldorfpädagogik – ein Konzept des »ethischen Individualismus«

Der Waldorfpädagogik liegt die Vorstellung einer ursprünglichen geistigen Kreativität des Menschen zu Grunde. Sie durchdringt die gesamte pädagogische Praxis, die Unterrichtsvorbereitung des Lehrers, die Unterrichtstätigkeit und die Lern- und Arbeitsprozesse der Schüler. Erziehung zur Freiheit ist Lernen und Üben durch intuitive und künstlerische Methodik. Der Einbezug künstlerischer Fächer ist eine notwendige Folge dieses viel weiter reichenden Grundimpulses.

In der Gegenwart ist das Vertrauen in alte Kategorien des Wahrnehmens und Denkens weitgehend geschwunden. Könnte die Ausstellung zum Kosmos Rudolf Steiners selbst zu einem pädagogischen Konzept des »ethischen Individualismus« werden? Wir sind gespannt auf die Eröffnung am 13. Mai 2010 um 11 Uhr im Kunstmuseum Wolfsburg.