Kulturelle Konstruktion

»Wenn sich die ... Idee einer ›kulturellen Konstruktion der Natur‹ derzeit einer gewissen Beliebtheit erfreut, so zum Preis einer ungenierten Verkennung des ... Paradoxes, das ein solcher Begriff impliziert: um die Natur als Kultur zu konstruieren, bedarf es einer präkulturellen Natur, die imstande ist, sich dieser Konstruktion zu fügen: es bedarf einer Gegebenheit im Rohzustand, die sich unabhängig von den Bedeutungen oder den Gesetzen denken lässt, die sie in eine soziale Realität umwandeln ... [Und] wenn die Natur vollständig kulturell geworden wäre, hätte sie keine Daseinsberechtigung mehr, auch nicht die Kultur, mit deren Hilfe dieser Prozess sich vollenden soll, da das Verschwinden des zu vermittelnden Objektes die Überflüssigkeit des Vermittlers zur Folge hat.«

Philippe Descola in »Jenseits von Natur und Kultur«, surkamp 2013