Leserbrief zu »Phantasie-Schiffbruch« von Ute Hallaschka, Erziehungskunst 3/2013

Sehr geehrte Frau Hallaschka!

Ein einziges Ihrer Argumente gegen 3D-Filme kann ich unterstützen - das des 3D-Brillenmüllberges. Ich wusste nicht, dass sie nur einmal benutzt werden.

Ich finde den Film absolut genial - in jeder Hinsicht.

Dass Sie von der "Irrealität dieser Täuschung" sprechen, lässt mich allerdings lächeln. Was stört Sie eigentlich? Des Zuschauers Täuschung durch den Film oder die durch die 3D-Technik oder die Irrealität der Story oder die der Täuschung? (Es gibt sicher noch mehr Möglichkeiten.)

Wenn letzteres der Fall ist - welche Täuschung meinen Sie?

Es gibt allerdings noch eine Täuschung, deren Realität (oder ist es ihre Irrealität?) erst ganz am Ende des Films die mittlerweile ziemlich fest im Zuschauer verankerte Täuschung über die Realität (-smöglichkeit) der Story auf einen Schlag auflöst und uns kopfschüttelnd auf unserem 3D-Kinositz zurück lässt. Es ist die Möglichkeit der Vielmöglichkeit der Überlebensvarianten von Pi. Und es ist die Ermöglichung, all das, was wir eben noch absolut fasziniert und genial märchenhaft getäuscht als real erlebt haben, doch wieder über den Bord der möglichen Realität geworfen zu sehen.

Das ist übrigens getreu dem Buch gestaltet, und wenigstens das können wir Ang Lee nicht als versuchte Täuschung vorwerfen. Solcherart Literatur und ihre Verfilmung steht in langer Tradition (E.A.Poe, G.Keller...), nur dass die Geschichte von Pi das altbekannte Schema von Täuschung, getäuscht Werden und Enttäuschung auf die Spitze treibt, indem es um mindestens eine Täuschungsdimension erweitert wird. Genial!

Mit freundlichem Gruß

Gerda Voss, Schwerin

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