Die Autoren der Studie schrieben damals: »Bezüglich der motivationalen Merkmale der Schüler/innen zeigt sich in den Waldorfschulen folgendes Bild: Sowohl die Freude als auch das allgemeine Interesse an Naturwissenschaft sind bei den Waldorfschülerinnen und -schülern sehr hoch ausgeprägt. Die Waldorfschulen liegen mit beiden Merkmalen über dem Österreich- und dem OECD-Mittel. In keiner Schulsparte des österreichischen Regelschulwesens sind die Freude und das Interesse der Schüler/innen in Naturwissenschaft annähernd so hoch.
In ihrer Einschätzung bezüglich der Relevanz von Naturwissenschaft für die Zukunft übertreffen die Waldorfschulen ebenfalls das Österreich-Mittel, liegen aber gleichzeitig unter dem OECD-Durchschnittswert, der bereits durch eine hohe Zustimmung zu den Einzelitems gekennzeichnet ist. Auch hier sind die Durchschnittswerte der einzelnen österreichischen Schulsparten signifikant unter dem Durchschnitt der Waldorfschüler/innen angesiedelt.
Hinsichtlich ihrer Überzeugung, naturwissenschaftliche Aufgaben zu meistern, befinden sich die Waldorfschüler/innen knapp vor dem ohnehin durch hohe Zustimmung charakterisierten OECD-Mittel. Sie liegen mit ihrem Vertrauen in ihre naturwissenschaftlichen Fähigkeiten über dem österreichischen Durchschnittswert und können sich in Bezug auf dieses Merkmal mit den 15-/16-Jährigen der Berufsbildenden Höheren Schulen messen. Nur die Schüler/innen der Allgemeinbildenden Höheren Schulen verfügen über noch mehr Vertrauen in ihre naturwissenschaftlichen Fähigkeiten.
Das Selbstkonzept der Waldorfschüler/innen in Naturwissenschaft ist besonders hoch ausgeprägt. Sie zeigen dabei eine über dem OECD- und Österreich-Mittel liegende positive Wahrnehmung ihrer naturwissenschaftlichen Lern- und Leistungserfahrungen, die in keiner Schulsparte der österreichischen Regelschulen übertroffen wird. Die positiven Ergebnisse der Waldorfschulen hinsichtlich der motivationalen Faktoren in den naturwissenschaftlichen Fächern lassen auf einen didaktisch guten Unterricht schließen. Die Untersuchungsergebnisse bezüglich der didaktischen Maßnahmen unterstützen diese Vermutung: In den Waldorfschulen ist der Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern durch Interaktion und Experimente gekennzeichnet. Auch das Planen oder Durchführen von naturwissenschaftlichen Untersuchungen sowie der Anwendungsbezug des Unterrichts stellt im Vergleich zu den österreichischen Regelschulen eine gängige und damit vorbildliche Unterrichtspraxis dar.
Bildungspolitische Empfehlungen auf Basis dieser Ergebnisse lassen sich vor allem für den Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern ableiten. Auf Grund der relativ hohen Naturwissenschafts-Kompetenz der Waldorfschüler/innen in Kombination mit äußerst hohen motivationalen Merkmalen und selbstbezogenen Kognitionen in diesen Fächern sowie den unterschiedlichen didaktischen Prinzipien liegt der Schluss nahe, dass die Regelschule von der Waldorfschule lernen kann, insbesondere was den konkreten Anwendungsbezug in der Naturwissenschaft betrifft. In diesem Zusammenhang muss der Mangel an Forschungsaktivitäten zum Thema ›Waldorfpädagogik‹ in Österreich sowie im gesamten deutschsprachigen Raum erwähnt werden. Gerade mit dem Hintergrundwissen, dass diese Alternativschulform durchaus Lernpotenzial für Regelschulen bietet, wären empirische Untersuchungen zu forcieren.«
Quelle: Bundesinstitut Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung | Zur Studie des IQB
Lesen Sie dazu auch das neueste Heft der Erziehungskunst zum Thema naturwissenschaftlicher Unterricht an Waldorfschulen