18 Schritte zur Inklusion

Norbert Handwerk

Erste Phase:

1. Die Heilpädagogischen Schulen auf anthroposophischer Grundlage bezeichnen sich als Waldorf-Förderschulen.

2. Waldorfschulen und Waldorf-Förderschulen ermöglichen Begegnungen durch gegenseitige Einladung zu ihren Veranstaltungen (Feste, Ausflüge usw.).

3. Waldorfschulen und Waldorf-Förderschulen bilden örtliche oder regionale Partnerschaften auf der Ebene der Kollegien, der Vorstände und der Elternvertretungen.

4. Die Waldorf-Förderschulen arbeiten in den Landesarbeitsgemeinschaften der Freien Waldorfschulen mit.

5. Waldorfschulen und Waldorf-Förderschulen führen regelmäßig gemeinsame Konferenzen durch (lokale oder regionale Vernetzung).

6. Waldorfschulen und Waldorf-Förderschulen kooperieren im Unterrichtsalltag: Sie organisieren gemeinsame Feste, Ausflüge, Klassenfahrten, Schülerpatenschaften und Unterrichtsprojekte.

7. Alle Waldorfschulen verstärken ihr hauseigenes, kostenloses Förder- und Therapie-Angebot.

8. Alle Waldorflehrer bilden ihre Diagnosefähigkeit aus. Das gesamte Kollegium bildet sich regelmäßig in Heilpädagogik fort.

9. Waldorfschulen verpflichten sich zur Durchführung einer externen Untersuchung ihrer Schülerschaft (durch Waldorf-Förderlehrer und Heilpädagogen) spätestens in der zweiten Klasse (»Zweitklass-Untersuchung«) zur Feststellung des individuellen Förderbedarfs.

10. Waldorfschulen weisen den besonderen Förderbedarf einzelner Schüler (gemäß der landesspezifischen Vorschriften) aus und erarbeiten einen individuellen Förderplan, der mindestens die Förderbedingungen für Integrations- oder Inklusionsschüler erfüllt. Für den gemeinsamen Unterricht in den Klassen oder Gruppen mit Integrationskindern haben sie zusätzliche Sonder- und Heilpädagogen.

Zweite Phase:

11. Die Waldorf-Förderschule wird Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft.

12. Die Waldorf-Förderschule wird (neben ihrer Mitgliedschaft im Verband für anthropo­sophische Heilpädagogik) ordentliches Mitglied im Bund der Freien Waldorfschulen (Doppelmitgliedschaft).

13. Die Landesarbeitsgemeinschaften bauen regionale Waldorf-Förderzentren auf, die eine anthroposophisch fundierte, waldorfpädagogische Förderung unterstützen: durch Dia­gnose und Beratung für Eltern und Lehrer, durch Vermittlung von Sonder- und Heilpädagogen, zur Koordinierung der Förder- und Therapiemaßnahmen für einzelne Schüler, zur Fortbildung von Lehrern sowie zur Kooperation mit anderen therapeutischen Einrichtungen und Behörden.

Dritte Phase:

14. Waldorfschulen und Waldorf-Förderschulen heben ihre räumliche und organisatorische Trennung auf. Der Trägerverein der Freien Waldorfschule und der Trägerverein der Waldorf-Förderschule, die bis dahin partnerschaftlich zusammengearbeitet haben, fusionieren und bilden einen neuen, einzigen Dachverein.

15. Schüler, Lehrer und Eltern beider ehemals getrennten Schulen bilden eine einzige Schulgemeinschaft (ein Schulname) mit gemeinsamen Organen, Gremien und Regelungen (zum Beispiel gleiches Lehrergehalt, Elternbeiträge usw.).

16. Es gibt Förder- und Therapie-Angebote für alle Schüler in der Schule.

17. Es gibt für jeden Schüler einen individuellen Bildungsplan. Dieser kann eine vorübergehende, zeitlich begrenzte oder auch dauerhafte Einzel-Förderung oder Unterricht in einer gesonderten Gruppe vorsehen.

18. Der Schulträger dieser inklusiven Waldorfschule entscheidet über das Angebot an speziellen Förderbereichen sowie über die Verteilung des gesamten Schulbetriebs auf alle Räumlichkeiten im Sinne einer optimalen inklusiven Nutzung unter Vermeidung von Ausgrenzung. Die unterschiedlichen Schulzweige sollen möglichst auf einem gemeinsamen Schulgelände sein (gegebenfalls muss neu entschieden werden, welche Gruppen und Zweige in welchen Gebäuden unterrichtet werden).

Würden solche oder ähnliche Schritte von Bund und Verband als Handlungsleitlinie konkret vereinbart, könnten einzelne Schulgemeinschaften sich in ihrer Entwicklung daran orientieren und ihre Schritte besser kommunizieren. Der Entwicklungsprozess könnte dadurch befördert werden. Die Dokumentation und Publikation der einzelnen Schritte durch die Beteiligten könnte zudem unsere Entwicklung unterstützen, vielleicht sogar die gesellschaftliche Diskussion positiv beeinflussen.

Eine zeitlich nicht allzu weit entfernte Zielmarke (2019/20) wäre hilfreich, nicht zuletzt, damit der eigene Entwicklungsprozess nicht durch staatliche Vorgaben bestimmt wird. Dann wären wir hundert Jahre nach Gründung der ersten Waldorfschule wieder da, wo wir schon mal waren: An der Uhlandshöhe besuchten ursprünglich die Förderschüler genauso wie die anderen die Schule und wurden teilweise von Michael Bauer gesondert unterrichtet. Spezielle heilpädagogische Waldorfschulen entstanden erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Höchste Zeit, in die Debatte einzusteigen.