Abschied vom großen Zampano. Was Schüler in der Klassenlehrerzeit schon selbst leisten können

Alexa Pelzer

Ich war vorgewarnt. Also nahm ich mir vor, mich noch intensiver auf den Unterricht vorzubereiten und im Umgang mit der Klasse noch konsequenter zu handeln. Aber wie? Ich erinnerte mich glücklicherweise auch an eine Bemerkung eben dieser Kollegin: In der siebten Klasse gehe es darum, dass sich der Lehrer aus dem Fokus herausnehme, damit die Schüler sich am Stoff und nicht an der Person des Lehrers abarbeiten könnten. 

Die Vierteljahresarbeit 

Mir kam die Idee, von den Schülern eine Vierteljahresarbeit anfertigen zu lassen. Die Aufgabenstellung lautete: »Verfasse eine mindestens zehnseitige Arbeit über eine Persönlichkeit deiner Wahl aus der Renaissance und präsentiere dein Ergebnis in ansprechender und anschaulicher Weise vor Eltern und Mitschülern in einem freien Vortrag.« Der Zeitrahmen erstreckte sich von den Herbstferien bis zu den Weihnachtsferien und die Schüler bekamen einen Plan, aus dem hervorging, bis zu welchem Zeitpunkt sie welchen Arbeitsschritt zu erledigen und ihr Zwischenergebnis der Lehrerin vorzulegen hatten. In der sechsten Klasse hatten wir »Ronja Räubertochter« aufgeführt und waren damit auch recht erfolgreich gewesen. Damals hatte ich den Schülern erklärt, dass dies eine Vorübung für ihr Achtklassspiel wäre. Diesmal sagte ich ihnen, dass die Vierteljahresarbeit auch als Vorübung für die Achtklassarbeit zu betrachten sei. Dies machte einen Teil der Motivation aus. Weitaus stärker waren die Schüler jedoch motiviert, weil sie ein Thema ihrer eigenen Wahl bearbeiten und abgesehen von Hilfestellungen durch den Mentor oder die Klassenlehrerin selbstständig arbeiten konnten. Während der beiden Vortragsnachmittage vor den Weihnachtsferien präsentierten die allermeisten Schüler  interessante und fachlich fundierte Ergebnisse, die sowohl die Eltern als auch die Lehrerin beeindruckten. Ich konnte im Nachhinein bemerken, dass  durch die Vierteljahresarbeit das Selbstvertrauen vieler Schüler und Schülerinnen sehr gestärkt wurde. 

Schüler schätzen Methodenvielfalt 

Was das selbstständige Arbeiten betrifft, hatte ich mich bereits seit der zweiten Klasse nach Kräften um Methodenvielfalt bemüht. Insofern waren die Schüler schon in ver-schiedenen Arbeitsformen geübt: Partnerarbeit, Gruppenarbeit, Stationenlernen, Kooperatives Lernen, Anfertigen von Referaten, Halten von Kurzvorträgen. Diese Arbeits­formen habe ich im Laufe des Schuljahres immer wieder angeboten und sie wurden von den Schülern stets dankbar angenommen. Erkennen konnte ich dies daran, dass die Klasse mit freudiger Zustimmung reagierte, wann immer ich eine der genannten Arbeitsformen ankündigte.

Ein anderer wichtiger Bereich, in dem ich mich aus dem Fokus herausnehme, sind die sozialen Prozesse innerhalb der Klassengemeinschaft. Angeregt durch unser bewährtes und bekanntes Unterstufenkonzept »Schule 2000« hatte ich im zweiten Schuljahr die ersten fünf Dienste eingeführt, die einzelne Kinder freiwillig für die Klasse übernahmen: Tafel putzen, Tassen spülen, fegen, Blumen gießen, Ranzen und Schuhe ordnen. Dieses System habe ich mit Beginn der vierten Klasse erweitert, so dass es für jeden der 32 Schüler einen Dienst pro Woche zu erledigen gab. Insofern sind sie seit längerem daran gewöhnt, Verantwortung für notwendige Dinge im Tagesablauf zu übernehmen und tun dies in der überwiegenden Zahl auch immer noch gerne. 

Die Kinderlehrer 

Einer weiteren Anregung des Konzepts »Schule 2000« folgend, führte ich zu Beginn des sechsten Schuljahrs den besonderen Dienst des »Kinderlehrers« ein. Seine Aufgabe besteht darin, am Beginn des Unterrichtstages mit der Klasse organisatorische Dinge zu klären: Änderungen im Stundenplan, fehlende Schüler, Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Hausaufgaben. Nimmt man die Begrüßung, den Morgenspruch, das Morgenlied und die Zeugnissprüche hinzu – Unterrichtselemente, die ja allesamt ritualisiert sind und demzufolge sozusagen von alleine passieren – unterrichtet sich meine Klasse in den ersten zwanzig Minuten des Schultages selber. 

Der Fünferrat 

Außerdem wählen die Schüler seit der sechsten Klasse einen Fünferrat, der die Aufgaben eines Klassensprechers wahrnimmt. Die Mitglieder treffen sich zur Erörterung anstehender Probleme, Sorgen, Nöte oder Fragen einmal wöchentlich für eine halbe Stunde mit der Lehrerin. Hat ein Schüler ein Problem mit einem Mitschüler oder einem Lehrer, versucht er, dies zunächst selbst zu lösen. Gelingt das nicht, wendet er sich an den Fünferrat, der dann meist einen Schlichtungs- oder Vermittlungsversuch unternimmt. Nur wenn dieser nicht zum Erfolg führt, wird das Problem durch den Fünferrat zur weiteren Bearbeitung an die Lehrerin weitergeleitet. Außerdem bevorzugen wir das Lernen an Orten außerhalb der Schule. Dazu gehören in erster Linie die jährlichen Klassenfahrten ab der dritten Klasse, aber auch Besuche von Museen, Werkstätten und Ausstellungen. Und immer wieder fällt mir auf: Gerade Schüler in diesem Alter sollten unbedingt mehr Sportunterricht erhalten. Unterm Strich habe ich die siebte Klasse bis jetzt weitaus besser überstanden, als ich befürchtet hatte. Ich würde mich über weitere Ideen, Anregungen, gerne auch sachliche Kritik – gerade im Hinblick auf die kommende achte Klasse – und einen regen Austausch freuen. Meine Kontaktdaten können Sie bei der Redaktion erfragen. 

Zur Autorin: Alexa Pelzer ist Klassenlehrerin an der Rudolf Steiner Schule Bochum.