Nachdem wir uns in den vergangenen vier Jahren über das Weserbergland, den Thüringer Wald und den Schwarzwald langsam immer südlicher bewegt hatten, erwanderten die Schüler im Herbst 2013 die Allgäuer Alpen vom Bodensee bis Oberstorf. Zwischen Herbst und Sommer konnten Kondition und Ausrüstung perfektioniert werden, doch die Zeit war lange und alle waren überrascht, als die Reise am 13.Juli 2014 tatsächlich losging.
Die erste Aufgabe in Oberstorf war, das Finale der Fußball Weltmeisterschaft zu bewältigen. Nach dessen glücklichem Ausgang zweifelte niemand mehr am Erfolg unserer Reise.
1. Tag: Oberstorf-Kemptener Hütte
Am Morgen des ersten Tages ist zwar die Ausrüstung perfekt, doch die Kondition lässt aufgrund der langen Fußballnacht etwas zu wünschen übrig. Es gilt 900 Höhenmeter bis zur Kemptener Hütte zu bewältigen.
Langsam aber stetig steigen wir bergan, nehmen schwitzend die vielen Blumen und Wasserfälle zur Kenntnis und erreichen am späten Nachmittag unser Ziel. Das Matratzenlager wird rasch in Beschlag genommen. Gut, dass die meisten Ohropax im Gepäck haben. Um 22 Uhr geht in der Hütte das Licht aus, viele von uns schlafen schon vorher.
2. Tag: Kemptener Hütte-Memminger Hütte
Bereits um 6 Uhr am nächsten Morgen (Dienstag) wird gefrühstückt, Abmarsch ist um 7 Uhr. Wir steigen im Morgennebel auf das Mädelejoch (1974m), passieren die Grenze nach Österreich und müssen 900 Meter nach Holzgau absteigen. Die Klasse hat sich in drei Gruppen zu je 10 Schülern und zwei Betreuern aufgeteilt, da die Wandergeschwindigkeit sehr unterschiedlich ist und niemand gehetzt oder gebremst werden soll.
In Holzgau warten zwei Großraum-Taxen, die uns zur Materialseilbahn Madau bringen. Von dort aus liegen noch einmal 800 Meter Aufstieg vor uns.
Der Weg zieht sich in Serpentinen nach oben und scheint kein Ende zu nehmen. An einem Wasserfall können wir unsere geschundenen Füße kühlen. Im letzten Abendlicht, begleitet vom Pfeifen zahlreicher Murmeltiere, erreichen wir die Memminger Hütte. Vor dem Schlafengehen können wir äsende Steinböcke beobachten, die sich allerdings vom Lärm einer Klasse schnell vertreiben lassen.
3. Tag: Memminger Hütte-Mittelberg
Der dritte Tag (Mittwoch) stellt uns vor die schwierigste Etappe des gesamten Weges. Vorbei an drei Gletscherseen steigen wir auf zur Seescharte (2599 m). Durch das Nadelöhr der Seescharte zwängten sich bereits Steinzeitmenschen. Eine grandiose Aussicht auf das Inntal erwartet uns und anschließend der mit knapp 2000 Höhenmetern scheinbar endlose Abstieg nach Zams.
Die Sonne brennt, die Stimmung ist gut, doch der Weg nimmt kein Ende.
Irgendwann und irgendwie ist es dann doch geschafft. Ein Bus bringt uns nach Mittelberg, unserem Quartier für diese Nacht. Die Anstrengungen dieses Tages veranlassen uns, auf den Aufstieg zur Braunschweiger Hütte zu verzichten. Wir legen einen Ruhetag ein und fahren mit dem Bus nach Sölden. Die Hälfte des Weges ist geschafft und wir feiern mit Pizza und Leitungswasser in einem italienischen Restaurant.
5. Tag: Venter Panoramaweg
Am Freitag bringt uns wiederum ein Bus (der öffentliche Nahverkehr in Österreich ist zu loben) zum Tiefenbachferner, der unterhalb der Braunschweiger Hütte auf 2793m liegt. Wir wandern auf dem Venter Panoramaweg in leichtem Auf und Ab zum Weißkarsee. Nach einer kurzen Rast bewältigen wir den Abstieg nach Vent (1896m) und können schon erste Blicke auf den Similaungletscher werfen.
6. Tag: Vent-Matschertal
Am Samstag, unserem letzten Tag, brechen wir wieder im Morgengrauen auf. Wir starten in Vent auf historischem Boden. Bereits 3000 v. Chr. wurde dieser Weg gewählt, um den Alpenhauptkamm in Richtung Süden zu überqueren. Der Fund von Ötzi, dem Mann aus dem Eis, im Jahre 1991 hat dies bewiesen. Der Weg zur Martin Busch-Hütte (2501m) ist gut zu bewältigen. Wir treffen viele Wanderer, die unseren Weg schon in den Tagen vorher immer wieder gekreuzt haben. Sie freuen sich an den Schülern, sprechen uns Mut zu und verhehlen ihre Bewunderung für die tapferen jugendlichen Wanderer nicht. Nach einer ausgiebigen Brotzeit an der Martin Busch Hütte nehmen wir das letzte Stück in Angriff. Auf den Spuren von Ötzi steigen wir Richtung Niederjoch. Über Schutt und Geröll, durch Schnee, Eis und Wasser erklimmen wir die Similaunhütte, den höchsten Punkt unseres Weges. 3019 Meter sind geschafft, die Grenze nach Italien ist überschritten, niemandem ist die Luft ausgegangen, alle haben die 3-Länder-Tour bewältigt. Der nun folgende Abstieg zum Vernagter Stausee im Schnalstal scheint ein Spaziergang zu sein, trotz der 1300 m Abstieg.
Am Stausee angekommen, kann es noch keiner so richtig glauben, dass wir tatsächlich die Allgäuer, die Lechtaler und die Ötztaler Alpen überquert haben. Erschöpfung macht sich breit.
Am Abend, nach einer abenteuerlichen Busfahrt, empfängt uns Hermann von der Abenteuerschule e.V. auf dem Tumpatschinhof im Matschertal mit einer kräftigen Gemüsesuppe und die Erholung beginnt.
Die folgenden Tage lassen uns begreifen, was wir geschafft haben, lassen uns ankommen, ausruhen, Gespräche führen, gemeinsam kochen und spielen.
Einen Tag nutzen wir zu einem Ötzi-Besuch im Archäologischen Museum in Bozen. Unser Glück, dass wir in Kilian Jaeger einen Archäologiestudenten dabei haben, der uns eine exklusive Privatführung bietet.
Eine Nacht, die jedes Kind an einem selbst gewählten Platz im Wald alleine verbringen darf (muss) beendet vier Jahre Abenteuer, fünf Fahrten, die jedes Jahr ein bisschen mehr forderten und doch immer gut von jeder und jedem zu bewältigen waren.
Am Samstag, dem 26.7. kommen wir abends wieder in Hannover an.
Was haben die Jugendlichen auf diesen Wanderfahrten gelernt?
Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit!
Mit nichts als der Kraft der eigenen Füße haben sie die Alpen überwunden. Nicht Geschwindigkeit, sondern Beharrlichkeit und Ausdauer waren gefragt. Die grandiosen Berge, das kristallklare kühlende Wasser, das Wechselspiel von Sonne und Wolken und vieles mehr haben sich in das Gedächtnis eingebrannt und uns allen Ehrfurcht und Demut vor der Natur gelehrt.
Unser Dank gilt ganz besonders Wendelin Haag von der Abenteuerschule e.V., der alle Fahrten geplant, organisiert und begleitet hat.
Schülerstimme
Man lernt dort in den Bergen irgendwie eine ganz andere Wertschätzung, da man einfach nicht viel hat, beziehungsweise nicht viel braucht. Wir konnten ja nicht viel mitnehmen, da wir unser komplettes Gepäck selber tragen mussten. Jedes Kilo mehr verursachte nur noch mehr Anstrengung und die hatten wir wirklich genug ... !
Wieder in Hannover flogen wir Familie und Freunden mit Tränen in den Augen und gemischten Gefühlen in die Arme. Einerseits waren wir froh, wieder zu Hause zu sein, andererseits war das eigentlich wundervolle Wanderprojekt und das unbeschwerte Leben in den Bergen endgültig vorbei, da dies ja unsere Abschlussfahrt war. Wohl die schönste Abschlussfahrt die man haben kann. Danke an alle, die dieses Projekt unterstützt haben!
Medea Sieben
Wandern ist die vollkommenste Art der Fortbewegung, wenn man das wahre Leben entdecken will. Es ist der Weg in die Freiheit. (Elizabeth von Arnim)