Das Fragezeichen im Titel deutet schon an, dass es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen geben kann. Wir alle sind Teil einer technisierten und digitalisierten Welt, die unsere tägliche Arbeit, unseren Alltag und unsere Freizeit immer mehr durchdringt und mit virtuellen Inhalten füllt. Die entscheidenden Fragen sind also, wie wir mit dieser Entwicklung umgehen und welche Gegengewichte wir setzen.
Neun Beiträge mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten regen an, sich mit diesem wichtigen Thema auseinanderzusetzen – von der kulturgeschichtlichen Abhandlung zur Entstehung virtueller Welten über aktuelle Ergebnisse der Medienwirkungsforschung bis zur Erlebnispädagogik als Alternative zum Medienkonsum. Dabei geht es dem Herausgeber des Buches und seinen Autoren immer auch darum zu zeigen, welche Stärken die Ansätze der Waldorfpädagogik bieten, »indem Kindergarten und Schule ihre Aufgabe nicht allein in der Vermittlung von Wissen, sondern in der Vermittlung realer Beziehungen zwischen Mensch und Natur und zwischen Mensch und Mensch erkennen.«
Wer Gebrauchsanleitungen zur Mediennutzung erwartet, wird enttäuscht. Die viel beschworene Medienkompetenz entpuppt sich als Lebenskompetenz, die Allgemeinbildung, selbstständiges Denken, Urteilsfähigkeit über die Möglichkeiten und Risiken der Medien und ethische Maßstäbe voraussetzt. Dies betrifft Kinder und Eltern gleichermaßen. Auf Seiten der Eltern wird allerdings noch etwas anderes vorausgesetzt: Erziehungskompetenz, soll heißen Vertrauen, Interesse, Neugierde, Offenheit und Konfliktfähigkeit den Kindern gegenüber und eine eigene Haltung, die nicht auf Angst, sondern auf Wissen und Lebenserfahrung beruht. So gewappnet, können auch wir Eltern in eines der großen Abenteuer des 21. Jahrhunderts ziehen.
Generell hätte ich mir von den Autoren etwas mehr Mut und weniger Moralisierendes bezüglich des Umgangs mit Medien gewünscht. Der praktische Umgang mit Medien bietet eine große Chance, mit Kindern und Jugendlichen über Medien ins Gespräch zu kommen und deren Wirkung kritisch zu hinterfragen. Dies hätte man noch mehr herausarbeiten können. Insgesamt ist das Buch von Andreas Neider für Eltern, Lehrer und Erzieher, die sich mit dem Thema Medien beschäftigen wollen, empfehlenswert.
Andreas Neider (Hrsg.): Flucht in virtuelle Welten? Mit Beiträgen von E. Hübner, A. Neider, Chr. Rittelmeyer, K. Wölfling, M. Birnthaler, P. Gunkel, B. Hanel/R. Wagner, P. Singer und R. Ballreich, 255 S., kart. EUR 18,90. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2010