Keine Spielerei

Georg Klemp

In der Erziehungskunst 12/2017 wurde die Frage behandelt, wie Eltern mit einem neuen Trend der Kriegsspielindustrie umgehen sollen. Das Problem unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von ähnlichen Fragen, wie der nach dem Umgang mit geschmacklosem Plastikspielzeug, mit elektronischem Schnickschnack in den Spielwarenabteilungen, oder mit Medien aller Art, die den Kindern heute aufgedrängt werden. Im kritisch denkenden Waldorfmilieu ist zu diesen Dingen sympathischer Weise in der Regel eine klare Haltung vorzufinden: Die Kinder sollen möglichst lange von dem Mist fern gehalten werden, mit dem die Industrie die Köpfe zwecks Umsatzsteigerung vernebelt. Wenn dadurch häusliche Konflikte entstehen, die nicht mehr tragbar sind, müssen eben Kompromisse gefunden werden.

Gerade beim Thema Kriegsspielzeug wäre eine Betrachtungsweise zu wünschen, die den Blick nicht nur auf die psychologische Wirkung beim Kind richtet, sondern auch die gesellschaftliche Funktion mit einbezieht. Kriegsspielzeuge waren in der Geschichte immer auch ein Mittel, die natürliche Abwehrhaltung in der Bevölkerung gegen Krieg als Mittel der Politik abzubauen. In den ersten Jahren der BRD war das generelle Verbot von Kriegsspielzeug noch Konsens aller demokratischen Parteien, wie man bei Spiegel online nachlesen kann. Mit der Wiederbewaffnung wurde es aufgeweicht. Ab Anfang der 1990er Jahre fand eine stetige Militarisierung der Außenpolitik statt, die im Krieg gegen Jugoslawien ihren Höhepunkt fand. Seither gibt es kaum einen militärischen Konfliktherd auf der Welt, an dem nicht mittelbar oder unmittelbar die BRD beteiligt ist. Bei Waffenexporten sind wir ganz vorne dabei. So stirbt heute alle 14 Minuten ein Mensch durch eine Waffe der Firma Heckler & Koch (waffenexporte.de).

Kann man angesichts dieser Entwicklung noch auf eine derart verharmlosende Art mit dem Thema umgehen, wie es die Autoren des genannten Artikels tun? Ob das Spiel mit Spielzeugwaffen beim Kind Gewaltbereitschaft auslöst oder nicht, kann nicht die einzige Frage sein, auch nicht die Frage nach dem Suchtpotenzial. Es ist auch völlig irrelevant, ob damit die kognitive Empathie gefördert wird oder ob man es zu einem reinen Geschicklichkeitsspiel umfunktionieren kann. Auch der Hinweis, dass diese Phase nach kurzer Zeit vorübergeht, ist unwichtig.

Tatsache ist: Solche Spiele sorgen für eine Gewöhnung an das Militärische, so wie es das immer häufigere öffentliche Auftreten der Bundeswehr bei Volksfesten und im öffentlichen Raum tut, ebenso wie die Werbung der Bundeswehr für Nachwuchssoldaten an Schulen, auf Berufsmessen oder im Internet. Ein seltener Lichtblick der kritischen Sichtweise zu diesem Thema war die Kolumne von Henning Köhler in der Erziehungskunst 11/2017 »Schulen ohne Militär«. Dass Kriegsspielzeuge keine harmlose Spielerei sind, sondern eine gezielte Zusammenarbeit von Militär und Industrie in diesem Bereich besteht, ist zumindest für den Bereich der Videospiele ausführlich erforscht und belegt, wie man in einer Studie der Informationsstelle Militarisierung nachlesen kann. Svenja Hoyer und Wolfgang Nieke sind der Meinung, wir sollten Kindern nicht mit Moral oder Pazifismus kommen, weil das nur Abwehrreaktionen hervorrufen würde. Eine seltsame Sichtweise. Versuchen wir ihnen nicht auch eine antirassistische und die Mitmenschen achtende Haltung vorzuleben und damit beizubringen?

Eine besondere friedensbewegte Aktivität ist leider auch bei Waldorfeltern und Waldorf­lehrern immer weniger anzutreffen, und das hat nicht zu einer Stärkung der Friedensbewegung unter Schülern geführt. Eine Stärkung der Friedenskräfte könnte dabei noch zu einer Überlebensfrage der Menschheit werden. Das Bulletin of the Atomic Scientists hat jedenfalls in diesem Jahr die symbolische Atomkriegsuhr auf 2 vor 12 gestellt, so weit wie seit den 1950er Jahren nicht mehr.

Zum Autor: Georg Klemp ist Klavierpädagoge, Pianist und Eurythmiebegleiter in Bad Nauheim

Literatur: Kriegsspielzeug, Aufrüstung im Kinderzimmer: Spiegel online 26.06.2013

Heckler & Koch

Studie der Informationsstelle Militarisierung