Auf dem Drachen nach Berlin

Anne Wolf

Michaeli 2018: Das erste eigene wird Drachenboot getauft. Ab da ging es an die konkrete Planung der 400 Kilometer langen Strecke. Im Sommer dann eine zweitägige Probefahrt, begleitet von intensivem Training, sodass auch die Jüngeren gut aufs Paddeln vorbereitet waren. Dann endlich durfte es losgehen! Bei schönstem Sonnenschein versammelten sich Hunderte von Menschen und verfolgten am 14. September 2019 morgens den Start im Greifswalder Museumshafen. Die Bigband der Universität sorgte für schwungvolle Stimmung. Der Greifswalder Oberbürgermeister fand warme und ermutigende Worte. Das erste Paddelteam bezog an der Brücke Position. Alle beteiligten sich kräftig am Countdown, und das Drachenboot schoss unter lautem Beifall pfeilschnell den Fluss hinunter. Die Reise hatte begonnen!

Es folgte eine ereignisreiche Reise voller Geschichten. Das Entscheidende: Die Schüler, die begleitenden Eltern und die Lehrer schafften es trotz mancher Planänderungen, dass das Boot immer vorankam. Alle stellten sich in die Verantwortung, die sie übernommen hatten: Die Paddler in ihren Teams auf dem Wasser – flankiert von den Begleitbooten und dem DRK–, die Bodencrew bei der Küchenarbeit und beim Auf- und Abbau des Zeltlagers, die Erwachsenen bei ihren vielfältigen und gut verteilten Aufgaben. Auch innerlich bewegten wir uns vorwärts, auch wenn – oder gerade weil – wir manches Mal an unsere Grenzen kamen. Den Jungen und Mädchen konnte man den Zuwachs an Kräften und Selbstvertrauen förmlich ansehen.

Streckenszenen: Das Schiffshebewerk Niederfinow, in dem das Drachenboot samt Begleitbooten im Zeitlupentempo 36 Meter nach oben aus dem Blickfeld aller Zuschauer verschwand; der gemeinsame Gesang für unsere tolle Küchencrew, als sie sich am Abend auf dem Campingplatz in Marienwerder mit einem hervorragenden Mahl von uns verabschiedete; der herzliche Empfang der gastgebenden Freien Waldorfschule Berlin-Südost. Dann, am Donnerstag, dem 19. September 2019, gelangten wir unter großem Jubel bis kurz vor das Tempodrom. Das Ziel war erreicht!

Nach dem Abenteuer der Anreise genossen wir das anschließende Fest mit seinen großartigen künstlerischen Darbietungen aus aller Welt ganz besonders. Stellvertretend für alle Teams lief die Besatzung, die das Drachenboot ins Ziel gebracht hatte, in der Arena ein. Die Südkurve – dort saß der Greifswalder Fanblock – war nicht mehr zu halten!

»Wir haben einander anders und noch viel besser kennengelernt, und durch diese Fahrt sind wir noch mehr eine echte Schulgemeinschaft geworden«, so ein Schüler aus der 10. Klasse. Angesichts dieser Erkenntnis, die sich – auch unausgesprochen – durch alle Klassen, durchs Kollegium und die Elternschaft zieht, sind Anstrengung, kalte Nächte, frühes Aufstehen und nasse Klamotten kaum noch wesentlich ... und doch Stoff für viele Anekdoten und gemeinsame Erinnerungen.

Zur Autorin: Anne Wolf ist Lehrerin an der Freien Waldorfschule Greifswald. Sie unterrichtet Englisch, Spanisch und Religion.