Auf mich kommt es an

Henning Köhler

Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mit Unternehmensberatern der wachen, kritischen Sorte an dem Thema Ängste im Jugend- und jungen Erwachsenenalter zu arbeiten. Die Probleme wurden klar benannt: Immer häufiger mangele es hoch qualifizierten Berufseinsteigern an Selbstvertrauen, Sozialkompetenz und Kreativität. »Sie sind Ende zwanzig oder Anfang dreißig, bringen glänzende Zeugnisse mit, aber man muss sie noch an die Hand nehmen wie Schüler«, sagte einer.

Irgendwas läuft schief mit unseren künftigen Eliten. Könnte es daran liegen, dass junge Menschen, die im verschärften Wettbewerb um gesellschaftlichen Aufstieg nicht abgehängt werden wollen, genötigt sind, ihr Bedürfnis nach dem Vorgang, der vor gefühlt tausend Jahren noch »Identitätsfindung« hieß, zu verleugnen oder zumindest weit hintan zu stellen?

Die vorherrschende seelische und mentale Gestimmtheit heutiger Studenten ist ein zielfokussierter, aber nicht mutvoller, sondern angstunterlegter Pragmatismus, der ihnen abverlangt, ihr Interessenspektrum stark einzuschränken und sich vornehmlich auf die Steigerung des eigenen Marktwertes zu konzentrieren. »Man wird dazu gedrängt. Das geht schon mit der Grundsatzfrage los: Du musst Abitur machen, sonst stehen dir die Türen nicht offen« (Sven, 21, Student).

Diese Haltung – darüber dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben – wird schon während der Schulzeit gefördert und honoriert.  Marianne Gronemeyer schreibt dazu in dem Schweizer Alternativ-Magazin ZeitPunkt: »Sie sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen, aber sie leben in einer Welt, in der alles so unverrückbar feststeht, dass sie nur noch befolgen können, was ihnen vorgeschrieben ist. Sie sollen kreativ und erfinderisch sein, werden aber mit Dingen überschüttet, in Verfahren eingefädelt, die jede eigene Idee im  Keim ersticken. Was wir ihnen am sträflichsten vorenthalten, ist die Erfahrung, dass es auf sie wirklich ankommt. Der Radius ihres Wirken-Könnens ist ja nicht annähernd so groß wie der Radius ihres Bewirktwerdens.«

Politisches Engagement – hier verstanden als Interesse an sozialgestalterischer Teilhabe – wie auch der Mut, durch das eigene Beispiel zur Humanisierung des Wirtschaftslebens beizutragen, entspringen dem Gefühl des Einzelnen, dass es auf ihn wirklich ankommt. »Wir müssen uns klar darüber sein: Wenn der Mensch heute nicht aus innerer Aktivität heraus eine Entwicklung anstrebt und diese Entwicklung wach erhält, so rostet er mit dem bloßen Intellektualismus von den zwanziger Jahren an ein. Dann erhält er sich nur noch künstlich durch Anregungen von außen« (Rudolf Steiner). Dem hätte die Schule vorzubeugen.

Literatur: Freitag Nr. 41, 2014, ZeitPunkt Nr. 133, 2014, R. Steiner: Pädagogischer Jugendkurs, 10. Vortrag