Englisch: Erst Sprechen, dann Lesen lernen

Bernd Kettel

Ich praktiziere seit vielen Jahren bei der Einführung des Lesens ein Verfahren, das schnell zum Erfolg führt und den Schülern das Gefühl gibt, mehr zu können, als sie denken – und das schon nach wenigen Stunden.

Es beginnt damit, dass ich die englischen Verse, Gedichte und Lieder aufschreibe, die in den Jahren zuvor auswendig gelernt worden sind, und sie den Schülern kopiert in Form eines kleinen Lesebuches überreiche. Es heißt »My First English Reader«. Die Schüler blättern in der Regel sofort und unaufgefordert darin und erkennen den einen oder anderen Text auf Anhieb wieder. Wir lernen die Textsammlung näher kennen, indem ich frage: »Who can find ›God made the sun …‹ oder ›A hunter went a hunting …‹?« Die Schüler blättern eifrig und lernen so gleich, richtig zu antworten: »It is on page …«

Wir gehen dann durch die Seiten und lesen die einzelnen Texte, was nur bedeutet, dass die Schüler das, was sie auswendig können und von dem sie früher Bilder gemalt haben, mit dem in Einklang bringen, was sie nun geschrieben sehen. Sie können zu Hause einen oder mehrere Texte aussuchen und dann in der Klasse vorlesen. Das tun sie mit offensichtlichem Vergnügen. Dass sie die Verse nicht nur auswendig hersagen, merkt man daran, dass sie zuweilen stocken und überlegen, oder auch manches etwas anders aussprechen als vorher, weil die geschriebenen Laute sie anfangs ein wenig bremsen. Aber nach etwa fünf bis sechs Stunden geht das bei vielen schon recht flüssig und sie gewöhnen sich an das eigenartige Aussehen der Laute.

Parallel dazu führen wir ein Bilderwörterbuch ein. Darin sammeln wir Vokabeln, die wir aus dem mündlichen Unterricht schon kennen, aber auch solche, die dazu dienen, eine kleine Geschichte in Gang zu bringen, die ich für die Kinder erfinde und die ich deshalb gut an ihre Leistungs­fähigkeit anpassen kann. In dieses »Picture Dictionary« zeichnen wir Bilder von Personen, Gegenständen oder Situ­ationen, die in unserer Geschichte vorkommen, und schreiben dazu die englische Bedeutung. Auf diese Weise vermeiden wir unnötige Übersetzungen, weil die Bilder für sich sprechen.

Nach etwa vier bis fünf Wochen (fünfzehn Stunden) beginne ich mit der eigentlichen Geschichte. Die meisten Schüler können nun einen einfachen, fremden Text, den sie so noch nie zuvor gesehen haben, lesen und intuitiv ver­stehen.