Hauswirtschaft und Kochen geht alle an

Katharina Grieger

Ist es nicht sinnvoll, dem heranwachsenden Menschen eine Hilfe für das praktische Leben an die Hand zu geben? Nicht immer erhalten in unserer viel beschäftigten Lebensweise mit ihrem Anspruch auf kollektive Kinderversorgung die Kinder zu Hause ein handwerkliches Grundwissen in Nahrungszubereitung oder Hauswirtschaft. So muss die Schule einspringen.

Die Waldorfschulen tun sich mit diesen Themen allerdings noch schwer. Wohl werden die Schüler mit großem Allgemeinwissen und möglichst auch dem Abitur entlassen. Aber nur wenige Schulen sehen eine Notwendigkeit für das Fach Hauswirtschaft. Vertreten sind die Hauswirtschaft und das Kochen dagegen in fast allen heilpädagogischen Schulen. Doch es gibt auch an Waldorfschulen Ausnahmen. Dank einiger initiativer Kollegen, häufig aus den praktischen Fächern Gartenbau und Handarbeit, konnte sich dieser neue Bereich etablieren. Einige Schulen schicken ihre Schüler meist in der 7. Klasse zur Gesundheitslehreepoche in die große Mensaküche. Dort erleben sie tage- oder epochenweise den Zeitdruck, Aufwand und Anspruch dieses Herstellungsbetriebes kennen, an den die unterschiedlichsten Anforderungen gestellt werden. Verfügt eine Schule sogar über eine separate Lehrküche, kann individueller auf die Bedürfnisse der Schüler eingegangen werden, da mehr Zeit und Auswahl in der Unterrichtsgestaltung möglich sind. Dazu wäre es sinnvoll, bereits bei einer Schulgründung oder einem Umbau eine Lehrküche mit einzuplanen. Hier einige Beispiele einer gelungenen Umsetzung.

Schüler kochen für Schüler

Das Tun für andere, das Sich-Präsentieren, wird besonders erlebbar, wenn Schüler für ihre Mitschüler kochen. Dieses auch wirtschaftlich interessante Modell wird in der Jean-Paul-Schule in Kassel (für Lern- und Erziehungshilfe) praktiziert. In einer professionell eingerichteten Schulküche wird mit Schülern unter Anleitung einer fachlich vorgebildeten Lehrkraft an drei Tagen in der Woche ein Mittagessen für 40 bis 90 Personen zubereitet. Dabei werden zum großen Teil die Produkte aus dem eigenen Schulgarten verarbeitet. Ein wunderbarer Kreislauf, der den Schülern einen Überblick über einen komplexen Prozess ermöglicht. Ein gewisser Ehrgeiz und natürlich Stolz kommen da auf. Erleben sie doch unmittelbar die Anerkennung, vielleicht auch die Ablehnung ihres mühevollen Einsatzes durch die Mitschüler. Inzwischen wurde der besondere Wert dieses Fachs erkannt und es entsteht eine Lehrküche für die Mittel- und Unterstufe, um die Schüler intensiver unterweisen zu können.

Mittlere Reife in Hauswirtschaft

Die Waldorfschule Kirchheim/Teck plante gleich bei der Schulgründung eine Lehrküche ein. Das Kollegium hielt einen lebenspraktischen Unterricht für wichtig und beauftragte die damalige Handarbeitslehrerin mit der Planung und Umsetzung dieser Aufgabe. Aus der Frage: »Wie wollen wir unsere Schüler am Ende der Schulzeit ins Leben entlassen?« entstand ein Lehrplan, der auf die besonderen Bedürfnisse der Schüler nach menschenkundlichen Gesichtspunkten und in Ergänzung zu anderen Fächern abgestimmt wurde. Mit großem Erfolg wird das Fach Kochen in den Klassen 7, 8 und 9 unterrichtet. In den Klassen 10 bis 12 wird der Themenkreis mit Ernährungs-, Gesundheits-, und Erziehungslehre erweitert. Das Fach Hauswirtschaft kann an der Kirchheimer wie auch der Göppinger Waldorfschule zur Anerkennung der Mittleren Reife von den Schülern gewählt werden.

Integrativer Kochunterricht

Als die Forderung nach Inklusion noch nicht in aller Munde war, wurden in der Integrativen Waldorfschule Emmendingen bereits Regelschüler und Schüler mit besonderem Förderbedarf gemeinsam erfolgreich unterrichtet. Seit zehn Jahren begegnen sich die Schüler auch im Kochunterricht und führen dort fort, was in den anderen gemeinsamen Unterrichten angelegt wurde: Gegenseitige Wertschätzung und Hilfe sowie das Verständnis füreinander. Eine kleine Kochgruppe bereitet für die ganze Klasse das Essen zu und es findet durch das gemeinsame Tun eine intensive Begegnung statt, die von Schülern, Kollegen und Eltern positiv erlebt wird.

An der Freien Waldorfschule Essen unterrichte ich seit über zwanzig Jahren das Fach Hauswirtschaft in allen Schulzweigen und Schulstufen dieser Bündelschule. Die Erfahrung zeigt, dass bei heilpädagogischen Schülern andere Schwerpunkte zu setzen sind als bei einem Regelschüler der Oberstufe. Ohne Übertreibung kann ich aber behaupten: Gleich welche Schüler zu mir kommen, fast alle arbeiten gerne in der Küche mit. Diese Sympathie ist der Schlüssel, um Interesse und Begeisterung zu wecken.

Der wichtigste Aspekt ist das soziale Zusammenwirken bei der Zubereitung einer gemeinsamen Mahlzeit, zu der jeder etwas ganz Persönliches beitragen darf – ein verbindendes Element, das übrigens auch in Schulungen zur Team­fähigkeit für Manager Anwendung findet. Unter einem gewissen Zeitdruck, den dieses Fach mit sich bringt, sind Wille und Durchhaltekraft der Schüler in besonderem Maße gefordert. Die Erweiterung vom Kochen zur Hauswirtschaft kann alle Themen umfassen, welche Familie und Haushalt betreffen.

Der Wert von Koch- und Hauswirtschaftsunterricht sollte mehr anerkannt werden und Eingang in die Lehrpläne aller Waldorfschulen finden. Die positiven Erfahrungen sprechen für sich. Im sogenannten »Richter-Lehrplan« ist das Fach »Ernährung und Hauswirtschaft« aufgenommen worden und bietet Anregungen zur individuellen Umsetzung. Ein weiterer Wunsch wäre die Einrichtung eines Fachseminars in der Lehrerausbildung.

Hinweis: Der Lehrplan »Ernährung und Hauswirtschaft« kann über die Autorin bezogen werden: griegerk@gmail.com