Mit Feuereifer dabei. Das Werken vermittelt elementare physikalische Gesetzmäßigkeiten

Reinhold Öxler, Ning Huang

Handwerk und Physik

Der mit Handwerklichem beginnende Physikunterricht ist den Kindern nahe, weil das Handwerkliche mit Greifen zu tun hat, be-greifbar ist, ein natürlicher Weg der Aneignung eines Stückes materieller Welt. Im Physikunterricht lassen sich viele Beispiele aus dem Handwerk erläutern, beispielsweise das Feuer machen.

In der chinesischen Mythologie entsprang das erste Feuer des Menschen dem Holz. Es war Suiren, der beim Holzbohren das Feuer entdeckt haben soll. Suiren entspricht Hermes in der griechischen Mythologie.

Angeblich haben die Shangdingdong-Menschen in Nordchina schon vor 18.000 Jahren die Technik des Feuermachens beherrscht. Durch das Erzählen solcher Mythen können wir die Schüler mit der Urzeit vertraut machen – damit, wie die Kultur begann und damalige Menschen Feuer machten.

Physik vom Phänomen aus

Der in der 6. Klasse beginnende Physikunterricht geht von Naturphänomenen aus und versucht zu erreichen, dass die Schüler seelisch und geistig in bildhafter Weise die jeweiligen Erscheinungen erleben können. Nach den Lehrplanangaben werden Wärmelehre, Optik, Akustik, Magnetismus und Elektrizität in der 6. Klasse behandelt. Wenn gefragt wird: »Wie macht man Wärme?« kann das Werken den Physikunterricht durch die Verknüpfung mit praktischen Beispielen und Experimenten sehr gut unterstützen, zum Beispiel durch das Feuer beim Schmieden oder die Reibung, die beim Holzbohren auftritt.

Die Schüler erleben, erfahren und beobachten die Erscheinungen unmittelbar.

Experiment: Holzbohren

Material: Die Stange ist aus Kiefernholz und das Brett aus Lindenholz. Auf dem Holzbrett soll ein Mast mit Schiffsflagge befestigt werden.

Zwei Schüler drehen das Seil an der Stange (Dremelbohrer) vor. Ein Schüler hält und dreht kräftig die Holz-Stange nach unten; der andere hält das Holzbrett. Nach einigen Versuchen entwickelt sich durch die Reibung Rauch. Die Holzkohle, die in dem Bohrloch entsteht, entzündet sich durch die Reibungswärme von selbst. Bedingung ist, dass genügend sauerstoffhaltige Luft zugefächelt wird.

Indem sie durch Holzbohren Wärme erzeugen, erfahren sie den Zusammenhang von Bewegung und Wärme. Die Reibungswärme ist ein Urphänomen. Mit den eigenen Händen und elementaren Werkzeugen ein Feuer zu entfachen, ist für alle eine unvergessliche Erfahrung. Die physikalische Wärmelehre kann sich auf eine konkrete Sinneserfahrung stützen. Dieses einfache Experiment begeistert Schüler so, dass sie es über Wochen täglich aufs Neue durchführen. Sie verfeinern es mit »Feuereifer« und steigern das Arbeitstempo in beachtlichem Maße, sodass innerhalb von Sekunden sich eine Flamme entzündet.

Zu den Autoren: Reinhold Öxler ist HWK-Lehrer an der FWS Uhlandshöhe in Stuttgart und Mitglied des Bundesarbeitskreises der Waldorf-Werklehrer; er und Ning Huang haben einen Lehrauftrag an der Dualen Hochschule BW Stuttgart.

Literatur: H. Bauer: Physik in goetheanistischer Darstellung: Hydro-statik, Akustik, Wärmelehre, Stuttgart 2006; H. Neuffer (Hg.): Zum Unterricht des Klassenlehrers an der Waldorfschule: Ein Kompendium, Stuttgart 2000; A. Spring, M. Glas: Holz: das fünfte Element, München 2005; T. Richter (Hg.): Pädagogische Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule, Stuttgart 2010; M. Wagenschein: Die Pädagogische Dimension der Physik, Braunschweig 1962