Nachhaltig in die Zukunft

Daniel Baumgartner, Florian Wolf

Seit zwölf Jahren baut jedes Jahr eine Gruppe junger Menschen ein Liegerad, ein sogenanntes FOS-Velo. Damit geht es vor den Sommerferien auf die Reise, bisher war das Mittelmeer Ziel, künftig die Ostsee. Dort warten zwei Katamarane, die ebenfalls in der Schule gebaut wurden, auf das mittlerweile gut eingespielte Team und dann wird gesegelt. Anschließend führt die insgesamt dreiwöchige Reise auf den Liegerädern wieder zurück.

In Etappen zum persönlichen Lernziel

In vier Phasen entwickelt sich das Projekt zu einem hoch effizienten und nachhaltigen Lernprozess: Bau des Liegerades, Planung der Reise, Durchführung der Reise, Reflexion. Der Bau des Liegerades fordert und fördert handwerkliche Fertigkeiten, zum Teil im Zehntelmilli­meterbereich, sowie ein effizientes Arbeiten in der Gruppe. Die Planung der Reise macht mit der Lebenspraxis vertraut und richtet das Team auf die anspruchsvollen bevorstehenden Aufgaben aus. Die Reise mit ihren 1.800 Kilo­metern ist einerseits Belohnung der über hundert Arbeits- stunden, andererseits das Feld, in dem Teamprozesse ausgebildet werden, die in keinem anderen Kontext so möglich sind. Bei der Fahrt ist kein Begleitfahrzeug dabei. Das verlangt ein hohes Maß an Selbst- und Teamverantwortung. Verfüge ich über die Kondition, eine solche Reise zu überstehen? Wie unterstützen wir uns im Team gegenseitig im Erreichen der täglichen Etappenziele? Was passiert mit uns, wenn wir an Leistungsgrenzen, an emotionale Grenzen kommen? Was für eine Rolle spielt das Wetter? Wie haushalten wir mit unseren Kräften? Was passiert mit uns, wenn wir uns einlassen auf täglich stundenlanges Radfahren und uns der immer gleichen Bewegung hingeben? Wie erleben wir die Natur, wenn wir sie aus eigener Kraft erfahren? – Bei der Rückkehr wartet ein sorgfältiger Reflexionsprozess. In dessen Zentrum stehen Gespräche über die Selbsteinschätzung, wie die geforderten Kernkompetenzen eingebracht und umgesetzt wurden. In der Auseinandersetzung mit ihrem Selbstbild und Fremdbild lernen die Schüler sich selbst kennen.

Ökologie für die Muskeln

Ökologisch denken und handeln lernen – diese gegenwärtig wohl dringlichste Aufgabe der heranwachsenden Generation wird in der Bildung noch sehr zaghaft umgesetzt. Das FOS-Velo-Projekt versucht mit einem ganzheitlichen Ansatz, Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen zu vermitteln, die so prägend sind, dass sie die Teilnehmer langfristig für die Umwelt sensibilisieren.

Da wir eine mobile Gesellschaft sind und Fortschritt mit Fortbewegung gleichsetzen, führt die Art und Weise, wie wir uns lokal, regional und global bewegen, mitten in ökologische Fragen. Für viele Jugendliche ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, mit Billiganbietern in die Ferien zu fliegen und sich motorisiert zu bewegen. Das Erlebnis, eine Flugdestination mit eigener Muskelkraft und Team­-power unter die Räder zu bringen, spricht die Muskelintelligenz an und unterstützt die kognitiv aufzunehmenden Fakten, die bekanntermaßen eine kurze Halbwertszeit haben. Wer die Rückkehrer vor Augen hat, ist immer wieder betroffen davon, welch ernste Begeisterung sie mit ihren von Sonne, Wind und Wasser gezeichneten Gesichtern ausstrahlen.

Ökomobile Innovationen, die begeistern

Der Verein »Jugendprojekte«, der im Auftrag der Schule das Projekt organisiert, wurde vor zwölf Jahren gegründet. Er unterhält die beiden Katamarane und organisiert Skipperausbildungen, die Schiffsnutzung und Reiseprojekte. Dazu gehören auch die FOS-Pedalos, die eine Gruppe von Zwölfklässlern zusammen mit Menschen mit Behinderung gebaut haben. Die Pedalos bilden eine Synthese der Fahrrad- und Katamaran-Technologie. Als Zweisitzer bieten sie die Möglichkeit, gemeinsam Fluss- und Seefahrten zu unternehmen, beispielsweise mit einem betreuenden Jugendlichen und einem Menschen mit Behinderung. Schülerinnen und Schüler, die beim FOS-Velo-Projekt mitmachen, können sich auch über die Schulzeit hinaus im Verein engagieren.

Es ist ein innovatives Feld entstanden, das Projekte der Ökomobilität als neue Form des umweltbewussten Lernens pflegt und ausbaut. So werden die Schiffe in diesem Sommer von Sardinien nach Basel gebracht, dort überholt und dann in der Ostsee stationiert. Der Transfer ist ein Projekt für sich, an dem auch ehemalige Schüler teilnehmen und ihre nötigen Seemeilen für den Hochsee-Segelschein absolvieren oder das Projekt als Umweltpraktikum anerkennen lassen können. Dass die von den Schülern gebauten Katamarane auf den Weltmeeren unterwegs sind, ist nichts Neues. Sechs Jahre zuvor hat eine Gruppe junger Erwachsener damit den Atlantik überquert, hin und zurück.

Nachhaltigkeit ist eine Herzenssache

Ökologische Bildung fordert den ganzen Menschen. Es geht nicht nur um das Erkennen von Zusammenhängen, es geht auch um neue Handlungsstile in der Mobilität, im Umgang mit Konsumprodukten, in der persönlichen Lebensweise. Aber Kopf und Hand allein genügen nicht. Nur über die Herzkräfte kann ein nachhaltiges Bewusstsein für den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur verankert werden.

Das Zusammenwachsen in einem Team, die direkte Auseinandersetzung mit den Gewalten der Natur auf dem Fahrrad und auf den Schiffen, das sind Erlebnisse, die begeistern. Darin liegt letztlich die Motivationsquelle, sich später als ausgebildeter Mensch für eine lebenswerte Zukunft einzusetzen.

Zu den Autoren: Daniel Baumgartner ist Schulleiter der FOS Freie Mittelschule. Florian Wolf leitet das FOS-Velo- und das Transatlantik-Segelprojekt; er besuchte die Rudolf Steiner-Schule Basel. Zusammen mit Bruder Gabriel führt er die Geschäfte der Wolf&Wolf GmbH (Fahrradbau und -entwicklung).

Link: www.wolfundwolf.ch