Zwei auf einen Streich. Eine siebte Klasse erhält ihre Geografie-Epoche in Englisch

Martin Zabel

Meine Verwandtschaft kommt aus Brasilien. Die Mitglieder meiner Familie sind auf schweizer, deutsche oder amerikanische Schulen gegangen und haben den Großteil der Unterrichte nicht in der Landessprache Portugiesisch, sondern auf Deutsch oder Englisch gehabt. Als sie die Schule beendet hatten, konnten sie zwei Sprachen fließend.

Diese Erfahrungen motivierten mich, eine Epoche in meiner 7. Klasse komplett auf Englisch zu geben. Aber welche? Es sollte eine sein, die nicht zu abstrakt ist; keine, mit der manche Schüler schon auf Deutsch zu kämpfen haben, um die Zusammenhänge zu erfassen, wie Mathematik oder Physik. Ich entschloss mich für die Geografie-Epoche, in der wir vergleichend Afrika und Südamerika betrachteten. Die Schüler wissen schließlich schon einiges über die Kontinente. Man kann das Erklärte gut mit Gesten und Zeichnungen unterstützen, so dass es leichter ist, in die fremde Sprache einzutauchen. Die Schüler stiegen mit gemischten Gefühlen in die Epoche ein. Zunächst war es ungewohnt, dass der Lehrer gleich morgens Englisch sprach, anders als in den letzten sechs Jahren. Der Morgenspruch, ein Gedicht und Lied auf Englisch folgten. Nur während der Zeugnissprüche erklang Deutsch im Unterricht. Wobei eine Schülerin sich sogar die Mühe machte, ihren Spruch ins Englische zu übersetzen und vorzutragen.

Erst überwältigt, dann zusehends selbstbewusster

Die ersten Tage waren fast alle Schüler einfach überwältigt von der Fülle der Sprache. Viele zogen sich dann zwischendurch heraus, aber das kennt ja jeder, dass es anstrengend ist, in eine fremde Sprache einzutauchen. Einzelne, die schon öfter im englischsprachigen Ausland waren oder mit Bekannten und Verwandten viel Englisch sprachen, konnten einigermaßen folgen. Mit jedem Tag wurde das Zuhören für immer mehr Schüler selbstverständlich.

Die Unterrichtsgespräche auf Englisch wurden ausführlicher und selbstbewusster. Immer wieder gab es Gruppenarbeiten, in denen kurze Referate zu verschiedenen Themen für die Klasse vorbereitet werden sollten oder man sich über das Gelernte austauschte. Auch hier wurde versucht, diese auf Englisch zu gestalten. Die Grammatik stand dabei nicht im Fokus, sondern dass man sich auszudrücken wusste und dem anderen verständlich machen konnte. Am Anfang der Epoche gab es den Versuch die Epochenheft-Texte in Gruppen selbst zu formulieren. Dies war aber zu schwer für die meisten Schüler und die Stichwortlisten, die zum eigenständigen Formulieren benötigt wurden, nahmen schon fast die Länge des Textes ein. So wurden die Epochenheft-Einträge meist als Kopie ausgegeben. Dadurch konnten die Schüler zu Hause noch einmal in Ruhe das Gelernte an Hand der Texte zu vertiefen. Meistens wurden diese Hausaufgaben über zwei Tage aufgegeben und beinhalteten auch Bilder zu den Themen.

So konnten die Schüler selbst entscheiden, wie sie sich die Zeit einteilen wollten: ob sie etwa zur Entspannung zwischendurch ein Bild malen, um am nächsten Tag dann den Text weiterzuschreiben, oder gleich alles erledigen wollten, damit der nächste Nachmittag dann frei war.

Englisch, Denglisch und Deutsch

In der dritten Woche war die ganze Klasse dann aufmerksam am Unterricht beteiligt. Häufige Redewendungen und Vokabeln waren mittlerweile selbstverständlich geworden, genauso wie die Tatsache, dass man immer wieder Wörter oder Sätze nicht verstand, deren Bedeutung man aber aus dem Zusammenhang, den Tafelskizzen und der Gestik herleiten konnte. Auch das Sprechen auf Englisch fiel immer leichter und wurde selbstverständlicher.

Dann kam am letzten Epochentag der Abschlusstest. Dieser war offen gehalten und die meisten Aufgaben bestanden darin, zu einem Thema etwas zu schreiben, mit einer langen Liste an Stichwörtern. Es war ausdrücklich erlaubt, »Denglisch« zu schreiben, also beide Sprachen zu mischen, Wörterbücher zu benutzen oder nach Wörtern zu fragen. Wichtig war nur, dass es verständlich war, was die Schüler niederschrieben.

Etwa ein Drittel der Klasse schrieb ganz oder hauptsächlich auf Englisch, zum Teil drei Seiten. Einzelne schrieben fast nur auf Deutsch und der Rest eine fröhliche Mischung. Am Ende des Tests gab es dann einige Fragen dazu, wie die Schüler die Epoche empfunden hatten, wie sie ihre eigenen Fortschritte und auch die Arbeitshaltung einschätzten. Das Ergebnis war erfreulich. Alle hatten viel über die zwei Kontinente gelernt, konnten es wiedergeben und hatten auch große Fortschritte im Englischen gemacht. Wobei sich dies hauptsächlich auf den Wortschatz und die Selbstverständlichkeit bezog, mit der sie sich in der Sprache bewegten, weniger auf die Grammatik. Nach den Ferien gab es noch einmal einen Rückblick auf die Epoche in einem ausführlichen, reflektierenden Gespräch. Die Hausaufgabe war dann, etwas über die Epoche und wie es einem dabei gegangen war, zu schreiben.

Hier einige Zitate der Schüler aus diesen Aufsätzen:

  • Das Übersetzen fand ich anstrengend, weil, wenn ich meinen Kopf umgeschaltet habe, fällt es mir leichter in einer Sprache zu bleiben. Insgesamt war die Epoche doch nicht so schwer. Meinen Wortschatz habe ich in dieser Zeit vergrößert und die Geografie lieben gelernt. Auch die vielen Bilder bereiten Freude. Nur das Zuhören und Schreiben haben nicht so Spaß gemacht, weil man die ganze Zeit präsent sein musste.
  • Die Englisch-Geografie-Epoche hat Vor- und Nachteile. Ich fand gut, dass sich mein Englisch-Verstehens-Wortschatz vergrößert hat. Nach einiger Zeit gewöhnt man sich an die englische Sprache und versteht sie viel besser. Es hilft sicherlich, das Englisch zu verbessern und man kann noch Geografie lernen. Aber es ist auch nervig, wenn die meiste Zeit auf Englisch gesprochen wird, denn man muss die ganze Zeit aufpassen, damit man es versteht.
  • Ich möchte unbedingt fließend Englisch sprechen, deswegen können wir ruhig noch eine Epoche auf Englisch haben. Wenn ich mal eine Weltreise mache, ist das fast das Wichtigste, was man braucht.

Am nächsten Elternabend sprachen wir auch über die Epoche. Die Eltern waren sich einig, dass sie sehr bereichernd, wenn auch oft sehr anstrengend für die Schüler war.

Unterm Strich wünschten sie sich wieder eine Epoche auf Englisch.

Zum Autor: Martin Zabel ist Klassen- und Eurythmielehrer an der Freien Waldorfschule Freudenstadt.