Henning Kullak-Ublick freute sich im Namen des Bundes der Freien Waldorfschulen über den zustandegekommenen Dialog. Er verwies auf Finnland, in dem es schon seit Jahrzehnten eine gelungene Zusammenarbeit zwischen staatlichen und freien Schulen gebe. Beide Schulformen arbeiten autonom und erhalten die gleiche Finanzierung. Zum Vorteil der Eltern, denn sie haben eine echte Wahlfreiheit. Wer Erziehungskunst wolle, so Kullak-Ublick, müsse diese Freiheit schaffen.
Johann J. Beichel vom KIT betonte, die Lehrer könnten ihr schöpferisches Ptenzial im Unterricht nur entfalten, wenn ihnen mehr Autonomie zugestanden werde. Diese sei Voraussetzung für eine ästhetische Erziehung. »Die Waldorfschulen«, so Beichel, »haben bereits seit Jahrzehnten große Erfahrung im handwerklich-künstlerischen Tun, wovon wir profitieren können. Schließlich müssen wir das Rad nicht zweimal erfinden.« Beichel plädierte außerdem für eine grundlegende Reform der Lehrerbildung, weg von der einseitig kognitiven zu einer ganzheitlich-ästhetischen Ausbildung.
Ministerialdirektorin Dr. Margret Ruep begründete die Bedeutung der ästhetischen Erziehung mit Herbart und Schiller. Für Herbart ist die Wahrnehmung (von griech. »aisthesis«) der Ausgangspunkt gelingenden Lernens. Das Interesse der Kinder kann durch »ästhetische Wahrnehmung« geweckt werden. Die Sinne und der Verstand müssen bei der Bildung zusammenwirken, damit die Jugendlichen sich entfalten können. In diese Richtung müsse die Gemeinschaftsschule gehen. »Unser dreigliedriges Schulsystem«, so Ruep, »ist in weiten Teilen nicht mehr mit den Verfassungsgrundsätzen von Gerechtigkeit und Chancengleichheit kompatibel.«
Claus Peter Röh, der Leiter der Pädagogischen Sektion am Goetheanum in Dornach, beschrieb aus seiner fast 30-jährigen Erfahrung als Waldorflehrer anhand vieler Beispiele, wie die Erziehung zur Kunst werden kann. Röh nahm die Zuhörer mit auf eine Reise durch die ersten acht Schuljahre und ließ sie erfahren, wie sich komplexe historische, grammatikalische, geografische oder geometrische Zusammenhänge aus künstlerischen Prozessen entwickeln und dadurch zum individuell erarbeiteten Besitz des Schülers werden. Er machte deutlich, dass Erkenntnis und Kunst keinen Widerspruch darstellen, sondern eine fruchtbare Spannung schaffen, die jedem Schüler die Möglichkeit zur Selbstwirksamkeit eröffnet.
Beichel erklärte im Abschlussplenum, es sei sein erklärtes Anliegen, die Arbeit der Waldorfschulen zu erleichtern und in der Lehrerbildung aufeinander zuzugehen. Der ebenfalls anwesende dm-Gründer Götz Werner schlug daraufhin dem Mannheimer Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität vor, interessierten Lehrern von Gemeinschafsschulen Fortbildungen anzubieten. Der Austausch über ästhetische Erziehung soll 2013 fortgesetzt werden.
Quelle: Bund der Freien Waldorfschulen (cs)