Bin ich Bauer, oder was?

Nein, so ist die Karriere nicht gemeint, schließlich sollen Waldorfschüler auch Krawattenträger im Business werden dürfen. Mit und an der Erde arbeiten heißt, als Mensch zu lernen, im Jahreslauf mit dem Leben von Pflanze und Tier, in Einklang mit dem Mikro- und Makrokosmos sinnvoll und nachhaltig, umzugehen.

Wenn Schulen nicht nur zeitweise, sondern in fester Kooperation mit Höfen zusammenarbeiten, sorgt man nicht nur in natürlicher Weise pädagogisch, vielleicht sogar therapeutisch für einen Ausgleich zum sitzenden Klassenzimmer, sondern hilft auch den Höfen, die in Zeiten der Agrarindustrie am Aussterben sind, sich ein neues Standbein als Schulbauernhof aufzubauen. Der heilende Gewinn ist ein doppelter, an dem Mensch und Erde genesen können.

Dem Ideal, dass die Schule ein Lebensort sein soll, wo jeder Handgriff Sinn macht, und auch als solcher

unmittelbar von jungen Menschen verstanden wird, kommt ein solcher Schulbauernhof oder eine solche Bauern­hofschule schon ziemlich nahe. Bauern werden zu Pädagogen und Pädagogen zu Bauern, Lehrer unterrichten am Hof, Bauern im Klassenzimmer. Rechnen und schreiben lernt man allemal, wenn die Saat berechnet, die Furchen angelegt, Karotten, Äpfel und Rote Beete geerntet, gewogen und verkauft werden

sollen, wenn Käse zubereitet, Milch gemolken, im Hofladen die Kasse stimmen oder gar das Land vermessen werden muss. Dann ist der Unterrichtsstoff kein Pflichtprogramm, dessen Lebensbezug sich den Schülern (noch) nicht erschließt, sondern eine »natürliche« Begleiterscheinung, die sich aus der Sache ergibt. Dass die Früchte gelesen und eingemacht werden müssen, damit sie nicht verderben und den Frühstückstisch bereichern, dass das Brot vom Korn, das auf dem Feld wuchs, stammt und nun aus dem Backofen will, um nicht anzubrennen: Das eine ergibt sich aus dem anderen und der Mensch kultiviert durch diese Tätigkeiten nicht nur seine natürliche Umwelt, sondern auch sich selbst.

Schulbauernhöfe könnten mehr bieten, als Auffangnetze für Schulverweigerer oder Spieläcker für Klassen­fahrten zu sein, wenn Schulen sie dabei unterstützten. Eigentlich sollte es keine Schule ohne Patenhof geben – das ist mit etwas Phantasie auch in der Stadt möglich.

Sagte mir Lisa noch, als das Landwirtschaftspraktikum anstand, dass sie sich erstens vor Schnecken ekeln, vor Mäusen reiß aus nehmen, den Stallmist nicht riechen und schon gar nicht Glibberkäse anfassen würde, außerdem würde sie garantiert nie Bäuerin werden, also was soll das!?– kam sie nach drei Wochen verändert zurück. Sie wirkte aufgeräumter und ausgeglichener, ja auch gesünder. Ihr erster Satz zu Hause war: »Ich wäre gerne noch länger geblieben.«