Das Gestern ist Schicksal geworden und damit für mich nicht mehr beeinflussbar. Und das Morgen ist einerseits abhängig von dem, was ich heute tue, andererseits im Zusammenspiel aller Ereignisse für mich nicht vorhersehbar. Das Wesentliche in unserem menschlichen Handeln geschieht heute, jetzt im Moment, und wird in der Qualität bestimmt durch Geistesgegenwart. Die »Natur« des Menschen ist heute auf Brainstorming eingestellt: Ich lasse mich zu jeder Zeit und zu jeder Gelegenheit, die mich nicht spannend fesselt, von meinen Gedanken in die Vergangenheit oder in die Zukunft entführen. Selten bin ich in der Lage, das zu achten und zu genießen, was mir im Moment des Geschehens begegnet – sei es ein Stück Schokolade, ein Blick in die Landschaft oder die Berührung eines Menschen. So gesehen behandelt der Autor ein Zeitphämomen.
Wes, die Hauptfigur des Romans, füllt die Seiten mit seinen Gedanken über das, was ihm begegnet ist, was er tun sollte, was er das nächste Mal besser oder anders machen will. Dazwischen findet sich wenig von einer aktuellen Handlung, deren Grundmuster nicht alltäglich und doch nachvollziehbar die Lebensphase eines
17-Jährigen in schwierigen Familienverhältnissen ist, in denen er (zu?) früh Verantwortung übernehmen muss. Eine biographische Phase, die durchaus eine spannende Handlung abgeben könnte.
Stattdessen: Fehlende Spannungsbögen, Wiederholungen, eine mitunter unpassend ins Vulgäre abrutschende Sprache (die in der Übersetzung weniger geschmeidig wirkt als im Originaltext) und die sehr erwachsen wirkenden philosophischen Gedanken von Wes machen den Roman wenig ansprechend und nicht empfehlenswert für den empfohlenen Leserkreis ab 14 Jahren.
Jesse Browner: Alles geschieht heute, ab 14 J., geb., 250 S., EUR 19,90, Freies Geistesleben, Stuttgart 2014